Der Rucksackmörder
Hause Ivans entfernt wird die Polizei ebenfalls fündig. Man durchsucht die Wohnung seines Bruders Richard. In einem Schuppen neben dem Haus lagern unzählige Campinggegenstände wie Zelte, Kochgeschirr und Zeltzubehör. Als man Richard fragt, wem diese Gegenstände gehören, stellt er fest: »Alles, was sich in meinem Hause befindet, ist mein Eigentum.« Die Gegenstände werden registriert und beschlagnahmt.
Bei einer Durchsuchung des Hauses einer der Schwestern Ivans stößt man auf 24 Waffen und eine Viertel Tonne Munition. Einige der Patronen waren vom selben Kaliber und mit derselben Herstellungsnummer versehen wie die Patronen, die man an den Fundorten der Opfer sicherstellte. Auch das Elternhaus Milats will man durchsuchen. Doch die kleine, resolute Mutter Ivans weigert sich, die Beamten einzulassen.
Als man dennoch in das Haus eindringt und mit der Durchsuchung beginnt, stellt sie sich vor einen Schrank und verbietet den Beamten, diesen zu öffnen. »In diesem Schrank ist meine Unterwäsche, und die geht Sie wohl nichts an«, herrscht Ivans Mutter die Ermittler an. Im Schrank finden die Beamten ein Gewehr mit der Aufschrift Ivan, Teile eines anderen Gewehrs und einen gekrümmten Degen mit äußerst scharfer Klinge. Ebenso ein gelbes T-Shirt und ein weiteres Hemd. Es sind Kleidungsstücke von Paul Onions, die er bei sich trug und im Wagen Ivans zurücklassen musste.
Sechs volle Tage und Nächte dauern die Durchsuchungen der einzelnen Häuser und die Vernehmungen von Ivan Milat. So sehr man ihn auch zu den einzelnen Gegenständen befragte, er konnte sich nicht erklären, wie diese in sein Haus und in die ebenfalls untersuchten Häuser seiner Verwandten gelangen konnten.
Längst sind die Funde auch der Presse bekannt geworden.
Täglich erscheinen darüber neue Artikel in den Zeitungen.
Unzählige Fernsehreporter versuchen, die Verwandten Ivans vor die Kamera zu bekommen. Doch der Milat-Clan hat sich längst mit Ivan verbündet.
»Die gefundenen Gegenstände würden ihnen nicht gehören.
Sie könnten sich auch nicht erklären, wie diese Gegenstände in ihre Häuser gelangt seien«, sagen sie unisono. Und immer wieder betonen sie: »Ivan ist unschuldig.«
Die Zeit war gekommen, die gesammelten Gegenstände zu registrieren und die Beweismittel den einzelnen Opfern zuzuordnen. Für die leitenden Beamten beginnt ein Kampf gegen die Uhr. Nach australischem Recht konnte man Ivan Milat nur bis zum 31. Mai – eine knappe Woche – in U-Haft behalten. Würden die Beweise bis zu diesem Zeitpunkt für das Gericht nicht ausreichen, wäre Ivan ein freier Mann und könnte wieder untertauchen, wie so oft in seinem Leben. Diesmal ging es jedoch nicht um einen Raub oder eine Vergewaltigung, diesmal galt es, den wahrscheinlich größten Serienmörder Australiens für immer dingfest zu machen.
Ballistiker und Spurenspezialisten arbeiten fieberhaft Tag und Nacht. Die Leute des Dezernats wissen, dass die ganze Nation auf sie blickt. Man erwartete unwiderlegbare Beweise oder ein Geständnis des Täters, was unwahrscheinlich war, denn Ivan schwieg.
Vor Ablauf der Frist gelingt es den Beamten, über einhundert fundierte Beweise zu erbringen, die den Täter einwandfrei überführen würden. Es sind fast ausschließlich Gegenstände, die den deutschen Opfern gehörten. Die meisten der Gegenstände gehörten Simone Schmidl.
Am 24. Mai bauen die Ballistiker die gefundenen Teile des Röger-Gewehrs zusammen, und nachdem man einige Schüsse mit der aufgefundenen Munition damit abgegeben hatte, steht fest: Mit diesem Gewehr wurde die Mehrzahl der Opfer vom Belanglo Forest getötet.
Wissenschaftler werden beauftragt, die gefundene Wasserflasche zu untersuchen. Sie tun es mit großem Erfolg.
Nachdem man feststellt dass diese neu lackiert worden war, durchleuchtet man sie. So kann nachgewiesen werden, dass ursprünglich der Name SIMI eingekratzt war. Es ist die Koseform des Namens Simone. Ihre Freundin bestätigt, dass Simone diese Buchstaben eingeritzt hatte, um eine Verwechslung der Wasserflasche mit der ihren zu vermeiden.
Am 31. Mai wird Ivan Milat dem Gericht zu dessen Voruntersuchung in Kempledoun vorgeführt. Hier sollte sich entscheiden, ob gegen Ivan Milat eine Hauptverhandlung wegen Mordes an den sieben Opfern des Belanglo Forest zugelassen würde oder ob er wieder aus der Untersuchungshaft zu entlassen sei.
Die Vorverhandlung
Detective Bobb Godden und die 66-jährige, aus Deutschland eingewanderte Rita O’Malley
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