Der Rucksackmörder
Mitgefangenen verbringen darf.
In einem vergitterten Innenhof zieht er seine einsamen Runden.
Bei jedem Wetter. Tag für Tag. 45 Minuten sind schnell vorbei, und eine Trillerpfeife beendet eine kleine – die einzige
– Freiheit im Tagesablauf von Ivan Milat. Milat ist auch vom Mittag- und Abendessen, das den Gefangenen in einem riesigen Speisesaal serviert wird, ausgeschlossen. Nur sehr selten und auch nur für kurze Zeit und unter strengster Bewachung kann Milat zu anderen Gefängnisinsassen in einem größeren Übungshof Kontakt aufnehmen.
In der Monotonie dieses Tagesablaufs und bei dem Gedanken, dass sich darin bis zu seinem Tode nichts ändern wird, bleibt ihm nur die Hoffnung auf ein Wiederaufnahmeverfahren. Er hoffe auf Gerechtigkeit für einen Unschuldigen, beteuert er immer wieder. Mit diesem Wunsch ist er nicht allein, auch seine Familie hält zum Teil noch zu ihm.
Seine Schwester Caroline sagt in einem Interview: »Ich weiß, dass Ivan kein Mörder ist. Er hätte es mir gesagt, und solange er nicht zu mir sagt: ›Ja, ich habe es getan‹, glaube ich ihm, dass er unschuldig ist. Er ist kein böses Monster.« Es gibt noch eine Frau, die an Milats Unschuldsbeteuerungen glaubt und ihn regelmäßig in der Haftanstalt besucht. Es ist seine Freundin, die seine Verhaftung miterlebte. Noch immer ist sie davon überzeugt dass Ivan Milat kein Serienmörder ist. Sie sagt: »Ivan war ein so romantischer, liebevoller Mann, ich kann und will mir nicht vorstellen, dass er so etwas Grässliches getan hat. Ich glaube nicht dass er dazu fähig wäre. Ich besuche ihn häufig, über die Taten sprechen wir nicht.« Sie schluchzt als sie weiterspricht: »Sie alle kennen ihn nicht. Ich lag in seinen Armen und spürte seine Liebe. Keine Sekunde gab er mir das Gefühl, dass ich vor ihm Angst haben müsste. Nein, ich fühlte mich geborgen in den Armen dieses Mannes, der nun ein Massenmörder, der Schlächter vom Belanglo Forest, sein soll. Ich kann nicht glauben, dass es eine andere Person in ihm gab als die, die ich kenne. Ich glaube an ihn, egal wie andere Menschen darüber denken. Ich werde auf ihn warten und hoffe, dass sich irgendwann seine Unschuld herausstellt und man ihn freilässt.«
Auf diesem Kontinent Australien gibt es wohl nur wenige Menschen, die daran denken, diesem Ungeheuer ein Wiederaufnahmeverfahren zu ermöglichen. Zu eindeutig sind die Beweise gegen ihn. Viele Juristen des Landes sind sich einig, so viele Beweise für einen Täter wie in diesem Strafverfahren gab es selten. Alle Journalisten, die den Prozess verfolgten, sind sich sicher: Ivan Milat ist der Killer, den eine ganze Nation jahrelang suchte.
Noch immer glaubt eine liebende und verblendete Frau, was nur ihr Herz zu verstehen vermag: »Ich glaube, Ivan ist unschuldig.« Doch sie sagt auch: »Ich fühle mich wie ein heimliches Opfer dieses Falles. Ich wäre lieber tot, als auf diese Weise von allen verhöhnt und verspottet zu werden. Es ist ungerecht, wie die Menschen mich heute hassen, nur weil ich diesen Menschen liebte. Ich bitte Sie, denken Sie einmal darüber nach.«
EPILOG
Ruhig und gelassen wirkt Herbert Schmidl, wenn er in seinem Stammlokal sitzt und die hereinkommenden Menschen beobachtet. Alle hier kennen ihn und haben seine Leidensgeschichte miterlebt, wissen vom Schicksal seiner Tochter, die viele persönlich kannten.
Über drei Jahre lebten die Eltern von Simone in der quälenden Ungewissheit um ihr Kind, um dann zuerst aus dem Radio zu erfahren, dass man Simone und sechs weitere Opfer tot im Belanglo Forest gefunden hat. Jeder, der hier verkehrt, weiß von dem darauf folgenden morgendlichen Anruf der australischen Staatsanwaltschaft, die ihm um drei Uhr morgens mitteilte, dass seine Tochter aufgefunden und ermordet worden sei. Viele haben versucht, mit ihm den Schmerz zu teilen. In der Stille, oft nur mit einem Blick.
Herbert Schmidl erinnert sich noch heute: »Von der Polizei habe ich nur hinhaltende und abweisende Reaktionen erfahren.
Als mir schließlich nach Wochen von den örtlichen Behörden mitgeteilt wurde, dass unter den aufgefundenen Toten auch meine Tochter Simone sei, hatte ich schon zehn Tage zuvor die Urne meiner Tochter auf einem Friedhof zu Grabe getragen.«
Verbittert berichtet Herbert Schmidl weiter: »Am 3.
November 1993 fuhr ich wie jeden Tag mit dem Bus meine tägliche Strecke. An einer Haltestelle stand meine Frau und wartete. Sofort erkannte ich in ihrem Gesicht, jetzt haben sie meine Tochter
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