Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
säumtenden Platz, dessen Boden ein sternförmiges Mosaik bedeckte. Auch hier war es totenstill, niemand war zu sehen, die ganze Festung schien verlassen zu sein. Die Fenster der Gebäude starrten leer auf die Soldaten herab. Was hatte sich hier nur ereignet?
Auf der gegenüberliegenden Seite des Hofs befanden sich der Thronsaal und die königlichen Gemächer, in denen der Hochkönig residierte, wenn er sich in Garadin aufhielt. Zwei Säulen, auf denen ein massiver Architrav ruhte, bildeten den Zugang zur Halle des Königs.
Als der hinkende Dan-Ritter sie erreichte, schwangen die Flügel des Tores lautlos zur Seite.
»Wir laufen in eine Falle«, flüsterte der Hauptmann. »Lasst uns umkehren und von hier verschwinden.«
Doch Andorin weigerte sich. »Dies ist die geheime Festung des Reichs von Algarad, es ist meine heilige Aufgabe, sie zu schützen und zu verteidigen; nichts darf mich davon abhalten, schon gar nicht die Furcht vor dem eigenen Tod!« Mit diesen Worten trat er über die Schwelle des Tors und betrat den Thronsaal.
Die schmalen Fenster ließen nur wenig Licht von draußen einströmen, doch hunderte von Fackeln brannten an den Wänden. Auf den Stufen an der gegenüberliegenden Seite, die zu einem schlichten Thron führten, standen goldene Kandelaber und spendeten zusätzliches Licht. Hinter dem Thronsessel war ein aus Kupfer gehämmerter, übergroßer Schild aufgestellt, auf dem das Wappen des Hochkönigs eingraviert war. Ein blaues Kuppeldach überspannte die Halle in Schwindel erregender Höhe.
Mittlerweile hatte der letzte Mann des königlichen Trupps die Halle betreten. Der Hauptmann sah, wie der Soldat in derweißen Robe humpelnd in einem Nebengang verschwand. »Bleib stehen!«, rief er ihm im Befehlston hinterher.
Das Krachen der Torflügel in seinem Rücken ließ ihn und die anderen Krieger zusammenfahren. Augenblicklich hoben sie ihre Schwerter und reihten sich um den Hochkönig, um ihn zu schützen. Auch Andorin hatte seine Waffe gezogen, kalt blitzte die Klinge des sagenhaften Schwertes Anoth in seinen Händen. Angespannt warteten die Dan, was sich als Nächstes ereignen würde. Mit ihren Blicken suchten sie jeden Winkel des Saales ab, konnten aber niemanden entdecken.
»Wir fühlen uns von Eurer Anwesenheit geehrt, Andorin«, ertönte plötzlich eine tiefe, grollende Stimme von der Stirnseite der Halle, wo der Thron des Hochkönigs stand. Eine massige, hünenhafte Gestalt, angetan mit schwarzen Gewändern und einem tief in den Nacken geschwungenen Helm, kam in provozierender Langsamkeit hinter dem Kupferschild hervor.
Die Ritter der Garde brüllten auf und schlossen ihre Reihen eng um den Hochkönig, als sie in der Gestalt den Admiral der Gredow-Krieger erkannten. Da öffneten sich die hölzernen Seitentüren und weitere Gredows sprangen aus den Seitengängen heran. Sie umzingelten die königlichen Soldaten, und ihre schussbereiten Bögen zielten auf die Dan.
»Errichtet den cor nephal !«, rief der Hauptmann, und die Dan-Ritter hüllten sich augenblicklich in den schützenden magischen Schild.
»Endlich begegnen wir uns, Hochkönig«, hob Drynn Dur zu sprechen an, wobei er den Titel Andorins mit besonderem Spott aussprach. »Lange habe ich auf diesen Augenblick gewartet, und endlich ist er gekommen! Mein Meister wird zufrieden sein, wenn er erfährt, dass mit dem heutigen Tage dieHerrschaft Andorins über Algarad beendet ist.« Behäbig ließ er sich auf den königlichen Thron fallen und strich mit den Händen über das blanke Holz der Lehnen. »Ist es nicht bedauerlich, dass ich den Fuchsbau entdeckt habe, in dem Ihr Euch verkriechen wolltet? Ich fürchte, die Zeiten sind vorüber, da Ihr hier Zuflucht finden werdet.«
»Drynn Dur!«, erwiderte Andorin ruhig. »Wie lange ist es her, dass wir uns auf dem Schlachtfeld begegnet sind? Zwanzig Jahre oder mehr?«
»Viel zu lange, was mich betrifft«, grollte der Anführer der Gredows. »Ich hätte Euch schon in der Schlacht von Tanab den Kopf abschlagen sollen, dann wäre Eure Herrschaft wesentlich früher beendet gewesen, und wir hätten uns all die weiteren Kriege ersparen können.«
»Was hättet Ihr nur all die Jahre getan, wenn Ihr nicht gegen die Dan hättet kämpfen können?«, spöttelte Andorin.
Der Admiral schnaube verächtlich. »Ich hätte Achests Reich schon längst über die Grenzen Algarads hinaus erweitert, glaubt mir. Vielleicht werdet Ihr ja dereinst Zeuge davon werden, bevor Ihr in Achests Verliesen zugrunde
Weitere Kostenlose Bücher