Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
flammten plötzlich Fackeln an den Mauern auf, und Tenan hob geblendet die Hände vors Gesicht. Modrige und abgestandene Luft schlug ihm entgegen, als er einen weitläufigen, katakombenähnlichen Saal betrat. Nur langsam gewöhnten sich seine Augen an die Helligkeit. Die hier herrschende kühle Feuchtigkeit drang augenblicklich durch seine Kleider und ließ ihn frösteln.
»Hier werden wir warten«, entschied Dualar und huschte in den Schatten eines Spitzbogens an der Wand. »Wie ich schon sagte: Ich werde im Verborgenen bleiben.«
Tenan wunderte sich. »Woher kennt Ihr diesen Tempel und woher wisst Ihr von den Versammlungen?«
»Bereits vor unserer Abreise nach Gondun kursierten Gerüchte, die besagten, dass auch in den Grauen Sphären Unruhe herrsche. Um ihnen nachzugehen und die Vorgänge hier im Auge zu behalten, betrat ich die Sphären mehrmals auf eigene Verantwortung. Bei meinen Nachforschungen erfuhr ich von den geheimen Versammlungen und wo sie stattfinden.« Der Hauptmann hob den Finger zum Mund. »Still jetzt, sie werden bald hier sein, sobald die Zeremonie für Gogam beendet ist.«
Tenan blieb inmitten der Gruft stehen und schaute sich neugierig um. Ringsum waren Nischen und Sitzplätze ins Gestein gehauen, es mochten rund fünfzig an der Zahl sein. Sie bildeten einen Kreis um einen glänzenden dunklen Altarstein, der die Mitte des Raums einnahm. Das Licht der Fackelnwarf bizarre Gebilde an die Wände. Es war totenstill, und Tenan fühlte sich wie in einem Grab. Die Unai ließen auf sich warten.
Er sah zu Dualar hinüber, der in stummer Versenkung dasaß und sich nicht rührte. Die Zeit dehnte sich, und Tenan fragte sich schon, ob sie nicht besser nach Algarad, in ihre Körper, zurückkehren und ein andermal wiederkommen sollten, als Gestalten die Treppe herunterkamen. Er zuckte zusammen und verbarg sich instinktiv in einer der Wandnischen, obwohl ihm Dualar aufgetragen hatte, mit den Unai zu sprechen. Plötzliche Panik erfasste ihn. Was, wenn sie gar nicht zu den Abtrünnigen gehörten, sondern nach wie vor im Dienst des Bash-Arak standen? Er wollte lieber Vorsicht walten lassen und sie beobachten und ihren Gesprächen lauschen.
Die Unai, gehüllt in schwarze Umhänge, schwebten vor den Altarstein und versanken davor in einer demutsvollen Haltung. Ihre Umrisse waren nicht klar zu erkennen, sie verwischten sich im unruhigen Fackellicht. Ihre Augen schimmerten unheimlich, während sie in stummer Andacht vor dem Altar verharrten. Als sie ihr unhörbares Gebet beendet hatten, flüsterten sie mit gedämpften Stimmen, sodass Tenan nicht verstehen konnte, was sie sagten. Sie schienen beunruhigt zu sein und wandten die schmalen, bleichen Köpfe suchend hin und her, für einen Augenblick dachte er schon, sie hätten ihn bemerkt. Nervös spitzte er die Ohren und versuchte, ihrer leise gewisperten Unterhaltung zu folgen.
»Er sucht nach uns«, flüsterte einer der Schatten. »Seid ihr sicher, dass er uns hier nicht finden wird?«
»Von diesem Schrein weiß niemand außer uns«, versicherte ein anderes Schattenwesen. »Trotzdem sollten wir vorsichtig sein.«
»Die Gemeinschaft der Unai droht zu zerfallen«, sagte der erste Schatten. »Wir, die den inneren Aufstand gegen den Meister begonnen haben, müssen nun fürchten, von unseren Brüdern verfolgt zu werden. Es geht das Gerücht, er werfe diejenigen, derer er habhaft werden kann, in die Schwarzen Sphären, in denen es nichts als Dunkelheit gibt.«
»Was Eoch sagt, ist leider allzu wahr«, meinte wieder ein anderer. »Sollte der Bash-Arak von unserem Tun erfahren, drohen uns schlimme Strafe und Verderben. Sein Diener Leargh verfolgt alles, was wir tun.«
Tenan zuckte zusammen, als er den Namen vernahm. Leargh! Der Diener des Bash-Arak, der ihm in den dunklen Höhlengängen unter dem Bugfels den Meledos hatte abnehmen wollen, trieb also auch hier sein Unwesen! Er war genauso erbarmungslos wie sein Herr und besaß wie er die Fähigkeit, aus eigener Kraft die Grauen Sphären zu verlassen und sich in Algarad zu manifestieren.
Tenan belauschte das Gespräch der Wesen und hätte fast vergessen, weshalb er selbst hierhergekommen war. Eoch, der größte der Schatten, hob plötzlich die Hand und bedeutete seinen Begleitern zu schweigen. »Könnt ihr nicht auch die Gegenwart eines anderen Wesens wahrnehmen?«, fragte er. »Jemand außer uns befindet sich hier im Raum! Er ist weit mächtiger als ein Schatten, und seine Aura ist schon die ganze Zeit über deutlich
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