Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
innerer Anspannung und Erwartung der Schweiß auf die Stirn. Die Zeit dehnte sich zu einer kleinen Ewigkeit, ohne dass ein Anzeichen des Heeres zu sehen war. Urisk saß reglos da, seine Umrisse verschmolzen mit dem Schilf, ebenso verschwammen auch die anderen Fairin vor Tenans Augen. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, er hätte glauben mögen, er befände sich allein in den Marschen.
Wieder stieß einer der Fairin den Ruf eines Dollvogels aus, diesmal in einer schnelleren Folge von Tönen. Sollten sich die Dan wirklich auf dem Weg hierher befinden, so mussten sie bereits sehr nahe gekommen sein.
Ein Windstoß rauschte durch die Schildhalme und kühlte Tenans Gesicht.
Plötzlich sprangen einige der Fairin aus ihren Verstecken und stürzten sich auf eine Stelle, an der Tenan beim besten Willen nichts anderes als braune Erde und Pfützen voll brackigen Wassers entdecken konnte. Der erstaunte Ausruf eines Mannes erklang aus dem Nichts, als fünf der Waldgeister sich darum bemühten, ihn niederzuringen. Sie schlangen Lianen um einen unsichtbaren Körper und versuchten ihn zu fesseln, während sie sich schnatternd in ihrer unverständlichen Sprache austauschten.
»Haltet ein!«, rief Tenan den Fairin zu und sprang aus seiner Deckung. »Ich weiß nun bestimmt, dass es sich um einen Dan-Ritter handeln muss. Er trägt einen Tarnumhang, der ihn gänzlich unsichtbar macht!«
Die Fairin hielten verwundert für einen Moment inne und blickten Tenan an, als habe ihn der Verstand verlassen.
»Ja, ja«, krähte nun auch Urisk, »kein Leid darf man dem Krieger antun!«
Tenan schob die Fairin beiseite, entfernte die Lianen-Stränge und griff beherzt nach vorne, wo er die unsichtbare Gestalt vermutete. Er bekam den weichen Stoff eines matralls zu fassen und zog ihn mit einem Ruck vom Kopf des Soldaten. Darunter kam ein vollkommen verwirrt dreinblickender junger Mann zum Vorschein; seiner Kleidung nach zu urteilen, stand er im Rang eines Novizen. Er schien noch nicht über genügend kämpferische Erfahrung zu verfügen, um sich zur Wehr zu setzen. Ängstlich duckte er sich und wagte kaum, in die Gesichter der Umstehenden zu blicken. An seinen blassen Gesichtszügen erkannte Tenan, dass er kaum das Alter erreicht hatte, das eine Aufnahme in den Orden voraussetzte.
»Keine Sorge«, versuchte ihn Tenan zu beruhigen. »Wir werden dir kein Leid antun. Diese Fairin hier sind Freunde der Dan und stehen auf ihrer Seite.«
»Was ... wie habt ihr mich entdecken können?«, stammelte der junge Dan. Dies schien ihn weit mehr zu beschäftigen als die Frage, wer ihn gefangen hatte.
»Das Volk der Waldgeister ist nicht nur geübt in der Kunst, sich mit einfachsten Mitteln unsichtbar zu machen, sondern auch darin, kleinste Zeichen der Natur zu deuten«, meinte Tenan lächelnd und half ihm auf die Beine. »Ich selbst habe mich soeben davon überzeugen können. Wenn es dich beruhigt: Ichhabe dein Kommen jedenfalls nicht bemerkt, und vermutlich hätte es auch keiner der Gredows.«
Die Fairin umringten den jungen Novizen immer noch misstrauisch, hielten ihre Speere aber gesenkt.
»Wo sind die anderen Dan-Ritter?«, erkundigte sich Tenan gespannt.
»Nicht weit von hier«, antwortete der Junge. »Ich sollte die Gegend als Vorhut auskundschaften und ihnen Bericht erstatten. Sie müssten beobachtet haben, wie ihr mich gefangennahmt.«
Tenan war erleichtert, das zu hören. »Befinden sich Lord Amberon und Hauptmann Dualar unter den Dan?« Der Novize nickte scheu, offenbar schüchterte ihn die Bestimmtheit, mit der Tenan auftrat, ein.
»Vortrefflich! Wir werden hier auf ihr Eintreffen warten«, entschied Tenan und spähte erwartungsvoll ins Marschland, während die Fairin mit aufgerichteten Speeren hinter ihm Position bezogen. Fast machte es den Anschein, als sei Tenan in seiner Tarnung aus Binsen und Blättern ein Anführer der Fairin, der von seinen Kriegern bewacht wurde.
Es dauerte nicht lange, da erklang eine vertraute Stimme.
»Ist das die Möglichkeit ... Tenan von Esgalin?«
Amberons tiefer Bass war unverkennbar, und gleich darauf war Dualars erfreuter Ausruf zu vernehmen. »Er ist es wirklich!«
Die beiden Dan-Ritter tauchten wie aus dem Nichts im Schilf auf, als sie ihre matrall über die Köpfe zogen.
Tenan atmete auf und lief ihnen lächelnd entgegen.
»Wie um alles in der Welt kommst du hierher?«, rief Dualar und schlug ihm freudig über das unerwartete Wiedersehen auf die Schulter. »Wir dachten schon, du und Urisk seid
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