Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
einen tiefen Schlaf der Erschöpfung gefallen. Obwohl auch Thut Thul Kanen fror, zog er seinen eigenen Umhang aus und breitete ihn über sie, denn sie bebte vor Kälte.Er war froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, und legte sich vor Eilenna auf den Boden, um sie mit seinem Körper vor Wind und Regen zu schützen.
Die Reise hoch oben in den Lüften war beschwerlich und voller Gefahren gewesen, heftige Sturmwinde hatten das Flugtier immer wieder aus seiner Bahn gerissen und vom Kurs abgebracht, die Kälte war ihnen unter die Kleidung, bis auf die Knochen gekrochen. Thut Thul Kanen hoffte, dass sich das Wetter besserte, sobald sie die südlichen Gefilde seiner Heimat erreichten. Wenn er sich nicht irrte, gehörte dieses kleine Eiland zu einer Gruppe winziger Inseln, die verstreut einige hundert Seemeilen vor der Küste von Shon lagen. Noch ein oder zwei Tage, und sie hatten ihr Ziel erreicht.
Ebenso wie seine Reiter war der Vyron vom tage- und nächtelangen Flug vollkommen erschöpft, er benötigte dringend Ruhe und Erholung; Thut Thul Kanen bezweifelte, dass das Tier die Wegstrecke ohne die Unterbrechung durchgehalten hätte, und wollte nicht daran denken, was passiert wäre, wenn er die kleine Insel nicht entdeckt hätte. Vermutlich wären sie im Meer ertrunken, und keiner hätte je von ihrem Schicksal erfahren.
Er hatte den Vyron an einen Felsen gebunden, ihm aber genügend Zügel gelassen, damit das Tier das spärliche Gras fressen konnte, das zwischen den Felsen wuchs. Normalerweise waren Vyronen Fleischfresser, aber sie begnügten sich mit pflanzlicher Kost, wenn nichts anderes zur Verfügung stand – was sie zu idealen Reittieren machte. Thut Thul Kanen selbst trug nur einen kleinen Vorrat an Nahrung mit sich, den er vor seiner Flucht aus dem Lager der Dan entwendet hatte: ein wenig Käse, getrocknetes Fleisch und ein Beutel voll Wasser, den sie bereits geleert hatten. Das meiste hatte er Eilenna überlassen.
Auf dem kleinen, trostlosen Eiland wuchs außer dem Gras für den Vyron nichts Essbares, aber wenigstens konnten sie Regenwasser sammeln. Thut Thul Kanen formte ein Stück Leder zu einem Trichter und steckte es in die Öffnung seines leeren Beutels, der sich langsam mit frischem Wasser füllte. Er beschloss, den Rest des Tages und die kommende Nacht im Schutze der Felsen zu verbringen, denn weder Eilenna noch das Flugtier waren in der Lage, weitere Strapazen auf sich zu nehmen. Zudem konnte er nicht mit Bestimmtheit sagen, ob und wann er einen geschützten Ort wie diesen noch einmal finden würde. Sie mussten ihre Kräfte für den letzten Abschnitt der Reise gut einteilen.
Thut Thul Kanen schob seinen Körper näher an Eilenna heran, die unter beide Umhänge gekrümmt auf dem harten Fels lag und wie Espenlaub zitterte. Er wusste nicht, ob sie tief schlief und die Berührung nicht spürte, oder ob sie ihn einfach gewähren ließ.
»Bald, bald schon wird es wärmer werden, Rose des Nordens«, flüsterte er. »Ich wünschte sehnlichst, dies möge dann auch für dein Herz gelten. Denn wisse, ich habe Großes mit dir vor.«
14
Garadin, die Schwimmende Festung des Hochkönigs von Algarad, brannte in hellen Flammenlohen. Die Gredows hatten überall gewaltige Brände entfacht, und nun wütete das flammende Inferno in jedem Gebäude, auf den Wehrmauern und am hölzernen Rumpf der Festung. Eine nach der anderenbrachen die Brücken zwischen den Häusern ein. Die Hitze war so groß, dass selbst die Mauern aus Stein porös wurden und einstürzten. Weithin erhellten die Flammen den Nachthimmel und loderten wie ein zweiter, blutroter Sonnenuntergang über dem Meer.
Drynn Dur und die Gredow-Krieger standen am Heck der Acheron und beobachteten das Schauspiel jubelnd und Schwerter schwenkend, während sich das Schiff langsam in Richtung Osten entfernte. Mit Garadin fiel eine wichtige, für uneinnehmbar gehaltene Bastion der Dan-Ritter; und Meledin, die Hauptstadt des Reichs, würde in nicht allzu ferner Zukunft das gleiche Schicksal ereilen.
Der Admiral kostete den Anblick der brennenden Stadt aus wie einen edlen Wein; ein wildes Gefühl des Triumphs durchflutete ihn, noch nie war er seinem Ziel und der Erfüllung seiner Hoffnungen so nahe gewesen. Er, Drynn Dur, der Admiral der Flotte des Todesfürsten, hatte den verhassten Dan-Rittern den Todesstoß versetzt, und sie wussten es noch nicht einmal! Langsam und unbemerkt bluteten sie aus, während sie einen aussichtslosen, unsinnigen Krieg gegen
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