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Der Ruf der Finsternis - Algarad 2

Der Ruf der Finsternis - Algarad 2

Titel: Der Ruf der Finsternis - Algarad 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Reichard
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aufgehellt, und fast schien es, als umspiele ein feines Lächeln seine Züge.
    »Ich hätte an deiner Stelle wahrscheinlich ähnlich gehandelt, Tenan. Du hast dem Heer der Dan durch deinen Ungehorsam einen Dienst erwiesen«, sagte er leise. »Nur musst du dringend lernen, deine Ungeduld zu bändigen und die Dinge, von denen du fest überzeugt bist, zur richtigen Zeit zu tun. Du darfst dabei nie die Regeln des Ordens verletzen und musst dich immer im Rahmen des Erlaubten bewegen.«
    »Was hätte ich denn anders machen sollen?«, fragte Tenan ratlos.
    Dualar schmunzelte. »Es gibt Möglichkeiten, glaube mir. Brich nie eine Regel des Ordens, aber überlege dir genau, wie flexibel du sie auslegen kannst.«
    »Ihr meint, ich sollte immer nach einem Schlupfloch suchen,um Regeln zu umgehen, mit denen ich nicht einverstanden bin?«
    Dualar lachte. »Das habe ich nicht gesagt. Du kannst nicht einfach tun, was dir beliebt, denn die Befehle und Regeln des Ordens müssen strikt befolgt werden. Aber es gibt magische Techniken, die dir helfen, manches leichter oder auf andere Weise zu vollbringen. Die Kräfte der Dan lassen viel mehr zu, als du dir vorstellen kannst ... Aber genug davon, du wirst all dies zur rechten Zeit lernen.«
    Sie hatten Dualars Zelt erreicht und traten ein. Es war ähnlich spartanisch eingerichtet wie seine Räume in Meledin. Im hinteren Teil stand neben seinem Feldlager eine Truhe aus altem, abgegriffenem Holz. Der Hauptmann öffnete sie und kramte darin herum. »Bevor ich dir weitere magische Techniken beibringe, musst du dich nun erst beweisen und die Regeln des Ordens streng befolgen. Amberon und ich werden dein Verhalten in den nächsten Wochen sehr genau beobachten.«
    Dualar entnahm der Truhe eine alte Papyrusrolle, die er Tenan in die Hand drückte. Ihre Ränder waren eingerissen, und sie war um einen dünnen Stab aus Ebenholz gewickelt und stark vergilbt.
    »Das hier ist der Kodex der Dan-Ritter. In ihm sind alle Regeln und Gesetze des Ordens enthalten, er ist das Kernstück unseres Zusammenlebens. Auch ich musste den Kodex damals auswendig lernen und brütete viele Nächte darüber. Du wirst das Gleiche tun müssen, wenn du in den Orden aufgenommen werden willst. Bis morgen erwarte ich, dass du das Kapitel über die Kraft des Gehorsams beherrschst.«
    Tenan dankte ihm reumütig und barg die Papyrusrolle sorgsam unter seinem Umhang.
    »Im Auftrag von Amberon werde ich dich ab morgen zum Inhalt der Kapitel befragen. Geh jetzt am besten in dein Zelt und beginne mit dem Studium – du wirst damit noch lange zu tun haben.«

6
    Die weiße Sichel des Mondes schimmerte in der samtenen Schwärze des Nachthimmels und spiegelte sich sanft im Meer. Ein kühler Luftzug wehte über Garadin, die verborgene Festung des Hochkönigs, die auf einer ausladenden runden Plattform auf dem Wasser schwamm. Längst waren die Lichter der Stadt verloschen, und die zahlreichen Türme, Wehranlagen und Gebäude hüllten sich in Finsternis. Selbst der legendäre Turm von Arath, der die Festung weithin sichtbar überragte, und der Thronsaal mit seiner blauen Kuppel lagen im Dunkel. Die Bewohner Garadins waren zu Bett gegangen, nur die Wachposten patrouillierten langsam auf und ab und ließen ihre Augen über das Meer schweifen.
    Die Umoli, die sich zu Hunderten durchs Meer auf die Festung zubewegten, blieben ihren wachsamen Blicken verborgen.
    Knapp unter der Wasseroberfläche schwammen die mordgierigen kleinen Wesen heran. Als sie den gewaltigen Rumpf der Stadt erreichten, schlüpften sie aus dem Wasser und kletterten flink im Schatten der Mauern empor. Ihre winzigen Krallen fanden überall Halt, sie nutzten geschickt jede Fuge und Ritze, die sich zwischen den Holzplanken des gewaltigen Rumpfs auftat, und so erreichten sie schnell den Rand derWehrmauern. Dort warteten sie einige Zeit, um sicherzugehen, dass niemand sie entdeckt hatte und Alarm schlug, aber alles blieb still.
    Wenig später ergoss sich die Flut aus wieselnden Geschöpfen durch die Schießscharten hindurch ins Innere Garadins. Sie krochen durch Abwasserkanäle und Mauerritzen, kletterten an Wasserrinnen und Blumenspalieren empor, schlichen in dunkle Verliese und Waffenlager, Zauberkammern und Privaträume, stets auf der Hut, nicht entdeckt zu werden.
    Als Erstes töteten sie die Wachposten auf den Wehrgängen. Zu mehreren stürzten sie sich von den Mauervorsprüngen auf die ahnungslosen Soldaten und bissen sie in den Hals. Das Gift aus ihren Zähnen tötete die

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