Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
langwierigen Partisanenkrieg verwickelt werden.
11
Der Herr der Schatten suchte Ruhe in einem verlassenen Tempel, der dem Wesen Gogam geweiht war, jener Kreatur, die das Schwarze Feuer hervorspie, das alle Schattenwesen ernährte. Allmählich erholte sich der Bash-Arak von dem Schwertstreich, den der junge Tenan ihm zugefügt hatte. Auch spürte er, wie seine Kräfte langsam wiederkehrten, aber er verfluchte die Wunde, die ihn zwang, untätig in den GrauenSphären zu verharren und die Suche nach dem Meledos-Kristall immer weiter aufzuschieben.
Seine verwundete Schulter schmerzte. Schlimmer aber als die körperliche Pein waren die Bilder und Erinnerungen, die – hervorgerufen durch die magische Klinge – in seinem Geist auftauchten. Ihn erstaunte ihre Heftigkeit und Klarheit, denn seit vielen Jahrhunderten war sein Streben einzig auf den Erhalt und die Ausweitung seiner Macht gerichtet gewesen, und er hatte die Beweggründe, die ihn dereinst zu seinem Bündnis mit den dunklen Mächten getrieben hatten, längst in einen dunklen Winkel seiner Seele verbannt. Nun aber traten die lang verdrängten Empfindungen wieder in sein Bewusstsein und quälten ihn so stark, dass er sich gelähmt fühlte und versuchte, seinen aufgewühlten Geist zu beruhigen. Doch je stärker er gegen die Bilder ankämpfte, desto deutlicher wurden sie.
Die Gesichter und Stimmen aus der Vergangenheit, die der Bash-Arak wahrnahm, waren ihm seltsam vertraut und gleichzeitig fremd. Er sah Szenen und Begebenheiten aus einer Zeit vor seiner Herrschaft über die Schatten, aber er konnte nicht sagen, in welchem Zusammenhang sie mit ihm standen. Nicht einmal an seinen früheren Namen konnte er sich erinnern.
Wer war die schöne Frau, die ihn aus dunklen Augen ansah, voller Schmerz, Trauer und Sehnsucht? Ihrer Erscheinung nach stammte sie von den Inseln, die östlich von Algarad lagen. Um ihre schlanken Handgelenke lagen Eisenketten wie bei einer Sklavin, und ein grobschlächtiger Kerl trieb sie mit Peitschenhieben eine Rampe hinauf auf ein Schiff. Ein Mann, selbst mit Stricken gefesselt, wollte zu ihr und drängte nach vorne, doch Wachen schlugen auf ihn ein, bis er zu Boden ging. Der Bash-Arak fühlte unbändigen Hass auf diejenigen aufsteigen,die die junge Frau von dem Mann wegführten, und er spürte, dass sie eine eigentümliche Einheit bildeten. Es waren sein eigener Zorn und Schmerz, die den Beginn des langen Wegs in die Dunkelheit einleiteten, dem er sich nur wenig später verschrieben hatte. Während er blutüberströmt und hilflos mit ansehen musste, wie das Sklavenschiff vom Kai ablegte, verschwamm das Bild, und der Bash-Arak erblickte das erste geheime Zusammentreffen mit Achest, dem großen Magier, der ihn in einer Halle der Dan-Ritter empfing, ihm die Grundzüge der Magie darlegte und ihm unbegrenzte Macht versprach. Sein Herz brannte vor Sehnsucht und ungestillter Rache, und schließlich schloss er sich seinem neuen Meister an und folgte ihm bedingungslos. Unter seiner Führung hatte er die dunkle Kunst erlernt, gekämpft und gesiegt, aber auch bittere Niederlagen erlitten; die schlimmste von ihnen war die Verbannung in die Grauen Sphären durch die Erzmagier von Dan gewesen.
Sein Bewusstsein kehrte zurück in den Tempel. Wie seltsam, dachte er und richtete sich auf, wie hatte er all dies über die Jahrhunderte nur vergessen können? Sein ganzes früheres Leben war aus seinem Gedächtnis verschwunden, ohne dass er es gemerkt hatte.
Noch einmal schweiften seine Gedanken zu dem traurigen Gesicht der jungen Frau, das nicht mehr weichen wollte. Was mochte aus ihr geworden sein? Ihr Anblick hatte eine Flamme in ihm entfacht, die vielleicht schon seit tausend Jahren als Glut in ihm loderte, die er aber nun zum ersten Mal seit vielen Jahrhunderten wieder spürte.
12
Die Albträume, die Tenan plagten, seit er Gondun betreten hatte, brachten ihn immer wieder um seine Nachtruhe. Meist wachte er schweißgebadet auf, konnte sich aber nur schemenhaft an sie erinnern. Es waren Bilder von schattenhaften Gestalten und öden, verlassenen Landschaften, durchzogen von einem Fluss aus schwarzem Feuer. Manche der Traumgespinste waren leicht und flüchtig und verschwanden aus seinem Gedächtnis, sobald er danach greifen wollte.
Anders aber war es bei jenem Traum, der ihn in der Nacht heimsuchte, bevor er nach Esgalin aufbrach.
Die Wellen branden gegen Klippen schwarzer Lava, die sich hunderte Yards in Schwindel erregende Höhe erheben. Vor tarnenden von
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