Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari
und er selbst hatte bei derselben Detonation seine linke Hand verloren. Als er nach Pretoria zurückgekehrt war, war er ein gebrochener Mann gewesen. Der Tod seines Vaters überdeckte bei Weitem den Verlust seiner Hand. Er gab sich die Schuld am Tod des Vaters und wagte kaum, seiner Mutter unter die Augen zu treten. Doch seine Mutter war eine warmherzige Frau, die bei all ihrer Trauer auch das Leid ihres Sohnes gesehen hatte. Sie brachte viel Kraft auf, um ihren Sohn aus seiner tiefen Verzweiflung zu befreien. Sie hatte alles getan, um ihm seine alte Zuversicht wieder zurückzugeben. Doch die Erinnerungen an den Krieg lebten in Fritz fort wie ein blühendes
Krebsgeschwür. Erst nachdem er mit seiner Mutter Imelda Pretoria verlassen hatte und in die deutsche Kolonie Südwestafrika gezogen war, ließen ihn die bösen Schatten wenigstens zeitweilig in Ruhe. Fritz war nun Kaufmann wie sein Vater und unterstützte seine Mutter. Seinen Traum vom eigenen Stück Land hatte er verloren, doch sein Herz für kranke Tiere hatte er behalten. Wann immer sich die Gelegenheit ergab - und das war nicht selten -, kümmerte er sich um kranke oder verletzte Tiere, die er im Busch aufgabelte. Außer Pascha lebten bereits eine dreibeinige Antilope, ein von seiner Sippe ausgestoßener alter Pavian und ein blindes Zebra auf dem kleinen Grundstück hinter dem Store in Okakarara.
»Schön, dich wieder bei mir zu haben!«
Imelda van Houtens breites Gesicht strahlte bis zu den Ohren. Sie breitete die Arme aus, um ihren Sohn nach seiner langen Abwesenheit endlich wieder in die Arme zu schließen.
Fritz erwiderte die herzliche Umarmung und drückte seiner Mutter einen kräftigen Kuss auf die Stirn.
»Gut siehst du aus, wie ein junges Mädchen!«
Imelda hob scherzhaft den Zeigefinger.
»Deine Schmeicheleien kannst du dir für hübsche junge Mädchen aufsparen. Ich habe heute Morgen in den Spiegel geschaut und dabei Falten entdeckt, die sich wie Trockenflüsse durch mein Gesicht graben.«
»Dann stand bestimmt die alte Maisie neben dir und du hast in ihr Gesicht gesehen.«
»Du hoffnungsloser Charmeur! Wie war die Reise?«
»Gut.«
Er genoss es, seine Mutter noch ein wenig auf die Folter zu spannen. Er wusste, dass sie darauf brannte, jede noch so kleine Einzelheit seiner Reise zu erfahren.
»Nun erzähl schon.«
»Da gab es erst mal nichts Besonderes. Die Waren, die wir bei Kimke & Holster in Hamburg geordert hatten, sind alle pünktlich in Swakopmund angekommen. Ich musste mich nur noch ums Verladen kümmern. Der Treck hierher war langweilig wie immer.«
»Ach ja?«
Imelda sah ihn strafend an. »Und deshalb bist du auch zwei Tage später dran! Ich hab dich bereits vorgestern erwartet. Nun sag schon, was steckt dahinter?«
»Ooch...«
»Nun lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!«
Imelda wurde allmählich richtig ungeduldig. Fritz lachte und knuffte sie liebevoll in die Seite.
»Okay, ich geb mich ja schon geschlagen. Du lässt mich ja doch nicht in Ruhe, bevor ich dir alles erzählt habe.«
Seine Mutter wollte wie immer alles sofort wissen.
»Weshalb bist du so spät dran? Wurdest du etwa überfallen?«
Fritz wurde ernst.
»Nein, mir ist zum Glück nichts geschehen, aber der Treck vor mir ist überfallen worden. Es gab nur eine Überlebende, eine junge Frau. Ich fand sie halb verdurstet im Busch und musste sie noch in Owitambe absetzen.«
»Dann war sie also eine Schwarze«, stellte Imelda fest. »Wahrscheinlich eine der Angestellten von Sonthofen.«
»Nein, die junge Dame war eine Weiße«, widersprach Fritz, »aber bevor du mir jetzt weitere Löcher in den Bauch fragst, könntest du so lieb sein und mir eine Tasse Kaffee kochen und ein paar Butterbrote schmieren. Ich sterbe vor Hunger. Sobald ich hier das Notwendigste erledigt habe, komme ich nach und erzähle dir alles.«
In diesem Augenblick fing Pascha jämmerlich an zu miauen.
»Was ist das denn?« Imelda stemmte stirnrunzelnd die Hände
in die Seiten. Fritz griff in das dunkle Innere des Planwagens und zog ein Fellbündel hervor.
»Das ist Pascha«, erklärte er seiner Mutter. »Ihn habe ich ebenfalls im Busch gefunden. Möchtest du dich um ihn kümmern?« Imelda schüttelte energisch den Kopf.
»Auf gar keinen Fall. Wir haben hier bereits das reinste Tiersanatorium. Noch so ein Tier verkraftet mein Garten nicht. Das Zebra mag ja vielleicht blind sein, immerhin ist seine Nase noch so gut, dass es sämtliche essbaren Pflanzen aus meinem Gemüsegarten
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