Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari
Schritt auf sie zu und umfasste mit seinen Händen ihren Hals. Jella war zu erschrocken, um sich zu wehren. Erst als sich Pischkes Hände immer fester um ihre Kehle schnürten, begriff sie den Ernst der Lage. Mit letzter Kraft presste sie heraus. »Ich bin übrigens nicht die Einzige, die Sie gesehen hat!« Ihre Worte zeigten Wirkung. Der Hausmeister ließ sie sofort los. »Verdammt!«, zischte er wütend. Jella keuchte und rieb sich den Hals. »Wenn Sie mir etwas tun, fliegt Ihr Geheimnis auf!«, drohte sie.
Pischke sah sie wie vom Donner gerührt an. Seine ganze Selbstsicherheit war wie weggeblasen. Übrig geblieben war nur noch die nackte Angst vor den Gendarmen. Jella spürte, dass sie fast gewonnen hatte.
»Und was willst du jetzt tun?«, fragte er.
»Gar nichts.«
Trotz der bedrohlichen Situation fühlte Jella so etwas wie Triumph. Endlich hatte sie ihren Fisch an der Angel.
»Sie werden etwas für uns tun!«
»Und was soll das sein?«
»Ich will, dass Sie uns einen Mietaufschub geben«, forderte sie selbstbewusst. »Mindestens drei Wochen.«
Pischke sah Jella mit gemischten Gefühlen an. Er konnte sich nicht so recht damit abfinden, dass Jella ihn so plötzlich in der Hand hatte. Andererseits - mit drei Wochen Mietaufschub kam er immer noch glimpflich davon.
»In Ordnung«, brummte er undeutlich. Aber Jella war noch nicht fertig. »Außerdem bekommt Mia Grosche ihr Geld zurück... und zwar alles!«
Damit hatte der Hausmeister nicht gerechnet. Er wirkte völlig überrumpelt. Als ihm das Ausmaß von Jellas Forderung bewusst geworden war, explodierte er.
»Du gemeines Stück irische Teufelsbrut!«, fluchte er aufgebracht. Jella hielt seinem Blick ungerührt stand. Pischke ballte seine Hände zu Fäusten und machte Anstalten, erneut auf sie loszugehen. Aber dann besann er sich und gab sich Mühe, sich unter Kontrolle zu bekommen. »Dieses eine Mal hast du vielleicht gewonnen«, presste er mühsam hervor. »Aber beim nächsten Mal, da krieg ich dich dran! Das verspreche ich dir!«
Ausflug nach Charlottenburg
Jella legte den gewaschenen und gebügelten Malerkittel sorgfältig zusammen, bevor sie ihn in den flachen Korb tat und ein Tuch darüberlegte. Sie wollte die frühen Morgenstunden nutzen, um zu Fuß den weiten Weg nach Charlottenburg zu unternehmen. Wo war nur ihr verflixter Hut? Das vornehme Stück hatte sie seit ihrem Auszug aus der Villa nicht wieder getragen. Heute wollte sie sich jedoch rausputzen, um bei dem Händler Bolle Eindruck zu schinden. Schließlich fand sie den Hut angestaubt unter dem Büfett. Ungeduldig zupfte sie die Spinnweben von dem grünen Filz ab, bevor sie das filigrane Gebilde mit den zu Schleifen gebundenen braunen Samtbändern leise fluchend auf ihren hochgesteckten Haaren zu befestigen versuchte. Wie immer rutschten die verdammten Hutnadeln ab. Sie wollten einfach nicht in ihrer üppigen roten Haarpracht halten.
»Ich werde wohl erst gegen Abend wieder zurück sein!«
Rachel, die unter dem blakenden Schein der Petroleumlampe direkt unterhalb des Kellerfensters saß und nähte, sah kurz auf. Sie lächelte Jella mit ihrem warmen Lächeln an, das ihr verhärmtes Gesicht sofort um Jahre jünger aussehen ließ. Wie blass und eingefallen ihr Gesicht war. Jeder Nadelstich kostete sie Mühe. Jella hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie sie allein zurücklassen musste.
»Ich beeile mich«, versicherte sie. »Und dann schlagen wir die Schlacht gegen die Nähnadeln gemeinsam! Das wäre doch gelacht,
wenn wir Lies Schmodde nicht bereits nächste Woche ihre neue Lieferung bringen könnten!«
»Hoffentlich wartet Pischke noch so lange mit der Miete«, meinte Rachel leise. »Wenn nicht, sitzen wir bald auf der Straße!« Mit der Krankheit schien auch ihr sonst so kräftig ausgeprägter Optimismus verschwunden zu sein. Jella blieb zuversichtlich.
»Mach dir keine Sorgen wegen Pischke. Ich bin mir ganz sicher, dass er uns nicht so schnell hier rauswerfen wird. Das hab ich so im Gefühl.« Um ihre Mutter nicht unnötig aufzuregen, hatte sie ihr lieber nichts von dem gestrigen Erlebnis erzählt. Sie hätte ihr nur Vorhaltungen gemacht und sich noch mehr gesorgt. Doch Rachel war bereits misstrauisch.
»Wieso bist du dir da so sicher?«
Trotz ihrer Krankheit spürte sie sofort, wenn ihre Tochter etwas vor ihr verheimlichte. Das war schon immer so gewesen. Als Kind war Jella sogar der festen Überzeugung gewesen, dass ihre Mutter ihre geheimsten Gedanken lesen konnte.
»Es ist nur
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