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Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari

Titel: Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Mennen
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Jella drehte sich um und zog erstaunt die linke Augenbraue hoch. Der Mann hinter ihr war klein, etwas rundlich und fiel durch seine vorspringenden Zähne und eine dicke Knollennase auf, aus deren Öffnungen schwarze Haare wie ein Büschel Petersilie sprossen. Seine Augen steckten hinter einer dickglasigen Brille und ließen sie riesig erscheinen. Er sah aus wie eine Karikatur von ihrem Zeichenfreund Heinrich Zille. Jella musste sich ein Lachen verkneifen.
    »Interessant«, meinte sie stattdessen.
    »Es wäre mir eine Ehre, junges Fräulein, Ihnen mehr über die Expedition zu erzählen. Ich war nämlich der Assistent von Dr. Studer, dem zoologischen Leiter der Expedition. Knorr, Alfred Knorr ist mein Name.« Mit stolz geschwellter Brust verneigte sich der kleine Mann vor ihr und musterte sie von unten herauf. Auf seinem Kopf thronte die Kappe der Aufseher, die ihm viel zu groß war. Er musste sie immer wieder aus der Stirn schieben.
    »Waren Sie etwa bei der Expedition dabei?« Jella musterte den kleinen Mann verwundert. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie solch ein Kümmerling das Wagnis eines mehrjährigen Abenteuers auf sich nehmen konnte.
    »Leider nicht. Ich durfte Dr. Studer nur hier im Museum assistieren«, meinte Knorr bedauernd. »Aber ich werde bald meine eigene Expedition starten. Ich habe mich als Feldwebel bei den Schutztruppen unserer Kolonien beworben.«
    »Was Sie nicht sagen. Und die haben Sie genommen?«
    »Selbstverständlich! Haben Sie etwa etwas anderes erwartet?« An Selbstbewusstsein schien es dem kleinen Mann jedenfalls nicht zu mangeln. Bevor Jella etwas dazu anfügen konnte, fuhr Knorr besserwisserisch fort.
    »Die ›Gazellen-Expedition‹ hat ihren Namen von dem gleichnamigen Schiff, der SMS Gazelle, müssen Sie wissen. Das ist eine
gedeckte Korvette aus der Königlichen Werft in Danzig. Sie unternahm von 1874 bis 1876 eine Expeditionsfahrt unter dem Kommando ihres Kapitäns Georg Freiherr von Schleinitz.«
    »Und welchem Ziel diente diese Expedition?« Allein das Wort »Expedition« hörte sich in Jellas Ohren wie Musik an. Es klang nach Abenteuer, neuen Erkenntnissen und dem Entdecken von Geheimnissen.
    »Ursprünglich sollten nur die Bodenprofile des Südatlantischen Ozeans sowie die Meeresströmungen am Äquator und in Neuguinea erforscht werden, aber dann wurde von wichtigster Stelle befunden, dass auch ein Zoologe, ein Botaniker und ein Anthropologe mit auf die Reise gehen sollten. Kurzerhand wurde die Bewaffnung der Korvette halbiert, und man richtete in der Batterie Wohn- und Arbeitsräume für die Wissenschaftler ein. Die Erkenntnisse, die die Mannschaft während ihrer zweijährigen Fahrt gewonnen hatte, waren erstaunlich. Sehen Sie doch selbst!« Knorr führte Jella zu den Vitrinen, in denen präparierte Pflanzen, Zeichnungen von fremdartig aussehenden Menschen, Tieren und Landschaften zu sehen waren. Außerdem waren dort ausgestopfte Tiere und allerlei andere rätselhafte Gegenstände ausgestellt. Knorr erklärte alles so sachkundig, als wäre er damals tatsächlich dabei gewesen.
    Jella war tief beeindruckt.
    »Wir haben hier im Museum aber noch ganz andere Schätze«, meinte Knorr geheimnisvoll. Jellas offenkundiges Interesse schien ihm zu schmeicheln. »Die Räume liegen etwas abseits. Dorthin verirren sich nur ganz selten Besucher.« Er zupfte ungeduldig an Jellas Ärmel und bedeutete ihr zu folgen. Durch mehrere Räume hindurch gelangten sie schließlich ans Ende des Westflügels in eine kleinere Kammer. Knorr fummelte an der Wand, bis er den Lichtschalter fand und anknipste. Mehrere Glühbirnen erleuchteten den Raum, in dessen Mitte eine große Vitrine stand. In ihr
befanden sich zylinderförmige Gläser, die mit einer durchsichtigen Flüssigkeit gefüllt waren. Darin schwammen verschiedene Exponate. Jella schauderte. Sie erkannte den ungeborenen Embryo eines Hundewelpen mit zwei Köpfen.
    »Was ist das denn?«, fragte sie mit einem gewissen Unbehagen in der Stimme und deutete auf das daneben befindliche Gefäß. Darin befanden sich in Formaldehyd eingelegt zwei menschliche Babys, die nur einen gemeinsamen Kopf hatten, ansonsten aber vollständige Menschen waren.
    »Das sind alles Launen der Natur«, grinste Alfred Knorr, dem die abartigen Exponate keinerlei Entsetzen zu verursachen schienen.
    »Aber warum hat man sie nicht beerdigt? Das ist ja unerhört!« Jella war außer sich.
    »Sie dienen Forschungszwecken«, meinte Knorr ungerührt. »Wenn ich

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