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Der Ruf der Pferde

Der Ruf der Pferde

Titel: Der Ruf der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Beyrichen
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verdeckte die Sonne und hüllte die Berge in einen bleichen Dunst.
    Aber wenigstens regnete es nicht.
    Patricia hustete und schlug den Kragen ihrer Jacke hoch. Sie mussten weiter.

28.
    »Sie hat was vor?« Damian beugte sich nach vorne, wie um besser zu verstehen, was Ethan sagte.
    Ethan sah ihn missbilligend an.
    »Ich hab nie behauptet, dass es so ist. Ich sagte lediglich, es könnte sein . Nichts anderes.« Er fuhr sich erschöpft mit der Hand über die Augen. Warum hatte er bloß nicht gewartet, bis er Silas allein erwischte! Er hätte sich doch denken können, wie Damian reagierte, während Silas nur dastand und ihm aufmerksam zuhörte.
    Damian dagegen vergrub seine Hände in den Hosentaschen und blickte entnervt zum Himmel.
    »Genau das würde ich Patricia zutrauen«, stellte er fest und Ethan verstand, dass er das nicht als Kompliment meinte.
    Patricia und Dallis waren nun seit zwei Tagen verschwunden. Zwei Tage, während deren Ethan hoffte, dass er sich geirrt hatte und dass sie doch wieder auftauchen würden. Mehrmals hatte er Patricias Eltern aufgesucht, doch mit fortschreitender Zeit las er in ihren Gesichtern nur wachsende Verzweiflung. Wie von einem Magnet angezogen, war er auch immer wieder zum McNair-Hof geritten, doch er wagte nicht, Silas von seinem Verdacht zu erzählen – aus Angst, dass er nur die Bestätigung erhielt.
    Doch nun durfte er nicht länger schweigen, Silas hatte das Recht zu erfahren, was mit seinem Pony vermutlich passiert war. Es war für Silas schon schwierig genug gewesen, dem Blutsauger Gaillard zu erklären, dass die Stute so einfach verschwunden war. Der Versicherungsagent hatte natürlich nicht geglaubt, dass vom Hof niemand etwas damit zu tun hatte. Was diese unerwartete Wendung für Auswirkungen auf die Handlungen der MacLeans haben würde, wagte sich Ethan erst gar nicht vorzustellen. Er wusste jedoch, dass Damian nun das Schlimmste befürchtete und deshalb aus seinem Zorn auf Patricia keinen Hehl machte. Damians spontane Reaktion auf Ethans Verdacht überraschte ihn nicht.
    Aber auch Ethan wurde allmählich richtig zornig. Natürlich war Patricias Flucht mit dem Pony unüberlegt gewesen. Offensichtlich hatte sie weder die möglichen Konsequenzen für Silas noch die unbändige Sorge ihrer Eltern bedacht. Von der Gefahr, in die sie sich dabei selbst manövrierte, ganz abgesehen. Doch Damian tat gerade so, als sei Patricia vollkommen durchgeknallt und er, Ethan, trage in ihrer Abwesenheit die Schuld an der ganzen Sache. Er musste sich sehr beherrschen, um Damian nicht an dessen eigene Rolle bei der ganzen traurigen Angelegenheit zu erinnern. Immerhin wäre es gar nicht erst so weit gekommen, wenn der Reitlehrer bloß zur rechten Zeit ein wenig Rückgrat bewiesen hätte, Rücksicht auf den Geldgeber hin oder her. Eine bessere Idee, als um des lieben Frieden willens einfach ein Pony zu opfern, hätte man von ihm durchaus erwarten dürfen. Und dann ausgerechnet noch dieses Tier, von dem er genau wusste, dass Patricias ganzes Herz daran hing! Ethan konnte jedenfalls in gewisser Weise nachvollziehen, dass Patricia aus Liebe zu diesem Pferd zu einer solch verzweifelten Maßnahme gegriffen hatte.
    Aber egal, was nun gewesen war und wer die Schuld daran trug – am allerwichtigsten sollte sein, dass Patricia gefunden wurde. Die Frage danach, was aus der kleinen grauen Stute werden sollte, rangierte dabei an untergeordneter Stelle.
    Silas schien diese Meinung zu teilen. Er hatte jedenfalls seit dem Moment, als klar war, dass außer dem Pony auch noch das Mädchen vermisst wurde, kein einziges Wort mehr über Dallis verloren. Und Ethan vermutete, dass er im Grunde seines Herzens mit Patricias Entscheidung sehr einverstanden war. Auch Si-las war die Sache mit dem Pony sehr nahe gegangen, das wusste Ethan. Was Dallis anging, so fühlte der alte Mann sicherlich so etwas wie Erleichterung, dass die Stute fort und damit ihrem Schicksal entgangen war. Seine Besorgnis galt ausschließlich Patricia.
    Doch Silas blieb im Gegensatz zu Damians zornrotem Gesicht äußerlich vollkommen gelassen.
    »Jetzt mal mit der Ruhe«, meinte er in ruhigem Ton. Er blickte Ethan forschend an. »Du sagtest, es könnte sein, dass das Mädel mit dem Pony in die Berge will. Du kennst Patricia ja ein bisschen – also: Was denkst du? Glaubst du ernsthaft, dass sie dorthin ist, oder glaubst du es nicht?«
    Ethan schwieg einen langen Moment, während er sich die Frage durch den Kopf gehen ließ. Er versuchte, sich

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