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Der Ruf der Pferde

Der Ruf der Pferde

Titel: Der Ruf der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Beyrichen
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Sonny, er prustete vor Vergnügen und stemmte sich gegen den Zügel, der seinen Lauf bremste.
    Ethan lachte auf.
    Am anderen Ende des Tals konnte er die Silhouetten der Ponys auf den Koppeln des McNair-Hofes erkennen. Sonny kannte sie gut und wieherte einen Gruß hinüber, den die kleineren Artgenossen mit hellen Stimmen erwiderten. Auch dies gehörte zum Ritual und Ethan hatte jedes Mal wieder sein Vergnügen daran. Er mochte die zotteligen Gesellen, die zu Schottland passten wie der Regen und die Dudelsackmusik. Silas McNair hatte das auch erkannt und sich zunutze gemacht. Von April bis Oktober vermietete er die Ponys an Touristen, die dann in kleinen geführten Gruppen Reitausflüge in die Umgebung unternahmen. Ethan begegnete ihnen zuweilen bei seinen einsamen Ausritten und bewunderte dabei nicht selten die Geduld, mit denen die Ponys ungeschickte Reiter und unsanfte Behandlung hinnahmen und dabei trotz allem noch zu Schabernack aufgelegt waren. Ohne seine eigenen Gefühle dabei besonders zu hinterfragen, verspürte Ethan in der Gesellschaft dieser Tiere so etwas wie einen inneren Frieden, als würde ihr Gleichmut dabei irgendwie auf ihn abfärben. Er nutzte daher meist die Gelegenheit, auf den Heimweg am McNair-Hof vorbeizureiten, um die Ponys zu besuchen oder auch ab und zu einen Schwatz mit Silas zu halten.
    Heute allerdings verspürte er keine Lust zum Reden und begnügte sich damit, die Ponynasen, die sich ihm über den Koppelzaun entgegenreckten, zu streicheln und ein paar Leckerbissen hinüberzureichen. Es fiel ihm schwer, sich von den freundlichen kleinen Pferden loszureißen. Warum konnten die Menschen nicht genauso sein, dachte er wie so oft. Die Pferde stellten keinerlei Ansprüche an ihn, verlangten ihm niemals eine Persönlichkeit ab, die er nicht war. Sie freuten sich einfach, wenn er sie besuchte, brachten ihm uneingeschränkte Aufmerksamkeit entgegen, solange er da war, und wandten sich gleichmütig wieder ihrem Grasen zu, wenn er ging. Keine Vorwürfe, keine Rechtfertigungen, wenn er einmal ohne Leckereien bei ihnen auftauchte. Und selbst die Rangeleien unter ihnen, wenn er ihnen Möhren und Äpfel anbot, schienen eher der Form halber abzulaufen. Jedes Pony kannte seinen Rang in der Herde und wusste, wann es an der Reihe war.
    Nur die Menschen schienen zu glauben, ständig zu kurz zu kommen.
    Den Rest des Weges legte Ethan in leichtem Galopp zurück. Sonny liebte es, zu rennen und über Hecken und Zäune zu setzen, doch Ethan hielt ihn zurück. Seine Abneigung gegen das Jagdreiten, das sein Vater so großartig fand, ließ ihn sogar bei einem ganz normalen Ausritt Hindernisse meiden. Deshalb blieb er auf dem ebenen Feldweg, der das McNair-Gestüt mit dem elterlichen Anwesen verband, und zügelte Sonny schon in Sichtweite des Hoftores.
    Sonny schnaubte ein wenig unzufrieden, doch Ethan klopfte ihm liebevoll den Hals und ließ ihn in gemächlichem Schritt gehen. Er war so mit dem Pferd beschäftigt, dass er seinen Vater erst im letzten Moment erblickte.
    Alastair Longmuir stand in der Tür des Bürogebäudes, die Hände in den Taschen seines beigefarbenen Tweedsakkos vergraben. Neben ihm lag ruhig ausgestreckt ein schlanker graubrauner Hirschhund, der aufstand, als Ethan herankam und ihn mit freundlichem Wedeln seines zottigen Schweifs begrüßte.
    Sein Herr hingegen musterte Ethan weniger liebenswürdig. Seine ganze hagere Gestalt drückte Widerwillen aus, wie er den Rücken durchgedrückt hielt und die Schultern gestrafft. Die dunklen Augen blickten Ethan unverwandt an.
    »Du hast sicherlich eine gute Erklärung dafür, dass du wieder einmal zu spät kommst?«, erkundigte er sich betont ruhig.
    Ethan saß ab und blickte auf die Uhr. »Es sind doch noch ein paar Minuten bis zum Mittagessen.« Er beugte sich zu dem Hund hinab und streichelte ihn. »Hallo Laird«, sagte er und zauste liebevoll die haarigen Ohren. Laird hechelte und stieß seine schmale Nase in Ethans Hand.
    »Du musst aber noch dein Pferd versorgen, dich waschen und zum Essen umziehen.« Sein Vater betrachtete ihn von oben bis unten. »Überhaupt, wie läufst du denn wieder herum? Hast du nichts Vernünftiges anzuziehen, wenn du ausreitest?«
    Ethan sah an seiner großen, dünnen Gestalt herunter. »Warum, was ist denn an meiner Kleidung wieder verkehrt?« Wie immer trug er zu den Reithosen ein einfaches Sweatshirt, diesmal in Blau.
    Es war immerhin sauber, was sollte also die Kritik? Er wusste allerdings nur zu gut, was sein Vater

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