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Der Ruf der Pferde

Der Ruf der Pferde

Titel: Der Ruf der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Beyrichen
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Wangen auf den Hof preschte. Wie immer hatte er die anderen weit hinter sich gelassen und Patricia vermochte, sich gut vorzustellen, was Damian bestimmt wieder gemotzt hatte. Dicht hinter Tommys Schimmel folgte allerdings ein schwarzes Pony, auf dem Michelles Schwester Nadine saß. Auf ihrem Gesicht erschien ein spöttisches Lächeln, als sie Patricia erkannte.
    »Na, du hast wohl endlich gemerkt, dass Michelle zu blöd zum Reiten ist, was?«
    Patricia bekam schmale Augen. Na prima, hatte die blöde Schnepfe also mitgekriegt, dass es gestern keinen Unterricht gegeben hatte! Arme Michelle! Dass ihre Schwester sie deshalb gleich verhöhnte, das hatte Patricia nicht gewollt!
    Und ehe sie sich’s versah, rutschte es Patricia heraus: »Keine Sorge, der Unterricht geht weiter!« Sie verschluckte sich beinahe, als ihr klar wurde, was sie da gerade gesagt hatte. Doch ihr Ärger über Nadine und ihr schlechtes Gewissen Michelle gegenüber waren stärker als ihr Wunsch, alles hinzuschmeißen. Sie sah Nadines arrogantes Lächeln und verbiss sich einen bösen Kommentar. Das brachte ja nichts.
    Sie atmete langsam aus, um sich zu beruhigen. Dabei merkte sie, dass ihre Hände sich unwillkürlich zu Fäusten geballt hatten. In diesem Moment wurde sie sich bewusst, dass sie Michelle wirklich gern hatte und wütend war angesichts der Herablassung in Nadines Miene.
    Arme Michelle. Es musste wirklich schwer sein, sich unter solchen Umständen auch nur eine winzig kleine Spur von Selbstbewusstsein zu erhalten.
    Und sie merkte, dass sie ungewollt tatsächlich die Wahrheit gesagt hatte. Ja, sie würde mit dem Unterricht weitermachen. Und sei es nur, um diese eingebildete Nadine in ihre Schranken zu weisen.
    Sie kümmerte sich nicht weiter um das Mädchen, das ihr Pony wieder antrieb und an Patricia vorbeiritt.
    Patricia hielt Ausschau nach Michelle – sicher würde sie auch gleich auftauchen. Dann konnte sie sich bei ihr entschuldigen und sie gleich fragen, ob sie jetzt Lust auf eine Unterrichtsstunde hatte.
    Doch dann blieb ihr Blick an einer anderen Reiterin hängen. Genau genommen war es das Pferd, auf das ihr Auge fiel. Eine kleine mausgraue Stute mit schwarzen Beinen und einem weißen Stern auf der Stirn. Den Stern konnte Patricia allerdings kaum erkennen, so tief ließ das Pony den Kopf hängen. Sein Gang zeigte Lustlosigkeit, obwohl es gehorsam einen raschen Schritt hielt.
    Dallis!
    Patricia merkte, wie sich automatisch ihr Rücken straffte, eine Alarmglocke schien in ihrem Kopf zu schrillen.
    Das Pony sah so müde und niedergeschlagen aus, wie sie es noch nie erlebt hatte.
    Was um Himmels willen war da los?
    Das Mädchen auf Dallis’ Rücken saß im Gegensatz zur zusammengesunkenen Haltung der Stute kerzengerade im Sattel. Ihr Gesicht konnte Patricia unter dem Schirm des tief in die Stirn gezogenen Reithelmes auf die Entfernung nicht erkennen, ihre Aufmachung ließ jedoch keinen Zweifel daran, um wen es sich handeln musste.
    Das Modepüppchen, na toll. Wie hieß sie doch gleich?
    Emily, erinnerte sich Patricia. Die mit der ausgeprägten Abneigung, sich die Hände schmutzig zu machen. Jede Wette, dass sie Dallis auch dieses Mal einfach stehen ließ, ohne sie nach dem Ritt zu versorgen.
    Aber was hatte sie mit der Stute angestellt, dass diese so erschöpft wirkte?
    Zwei weitere Reiter bogen um die Ecke und hielten aufs Hoftor zu. Michelle fehlte immer noch, wie Patricia mit flüchtigem Blick feststellte. Doch sie dachte nicht weiter über Michelle nach, sie beobachtete mit wachsender Besorgnis Dallis, die von Emily nun durch das Tor gelenkt wurde. Vom Maul des Ponys tropften dicke Schaumflocken zur Erde, die Nüstern waren geweitet und die Flanken dunkel vor Schweiß.
    Ein Bild des Elends.
    Patricia wurde es eiskalt. Sie tat einen Schritt auf sie zu und öffnete den Mund, doch bevor sie etwas sagen konnte, sah sie zu ihrem fassungslosen Entsetzen, wie Emily die Gerte hob und Dallis einen scharfen Hieb in die Flanke versetzte.
    Das Pony schreckte trotz seiner Müdigkeit auf, was Emily zu einem weiteren Schlag und einem heftigen Zerren am Zügel veranlasste.
    »Werd bloß nicht auch noch aufmüpfig!«, fuhr sie die Stute an.
    Patricia blieb der Mund offen stehen. Das durfte doch nicht wahr sein!
    Mit einem einzigen Satz war sie bei dem Pony, griff Emily in die Zügel und riss ihr die Gerte aus der Hand.
    »Sag mal, bist du noch ganz dicht?«
    Dallis war bei dem unvermuteten Angriff erneut hochgeschreckt, doch Patricia hielt sie

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