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Der Ruf der Pferde

Der Ruf der Pferde

Titel: Der Ruf der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Beyrichen
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wie sehr sie unter diesem Vorwurf litt.
    »Lass dich von deiner Schwester nicht runterziehen«, tröstete Patricia. »So toll, wie sie denkt, ist sie auch wieder nicht. Und es ist doch völlig unwichtig, ob jemand Turniere gewinnt oder nicht.«
    »Na ja, für meine Eltern ist das schon wichtig.« Michelle wirkte nachdenklich. »Sie wünschen sich Kinder, die genauso gut sind, wie sie selbst früher waren. Und da hab ich sie schon ziemlich enttäuscht.«
    »Quatsch!« Patricia sprach absichtlich grob. »Kein vernünftiger Mensch wird jemals seine Meinung über jemanden davon abhängig machen, ob derjenige in irgendeinem Sport gut ist oder nicht! Ich kenne deine Eltern nicht, Michelle, aber glaubst du das wirklich? Meinst du nicht, dass du dich vielleicht selbst in was reingesteigert hattest, von dem du dachtest, es sei so?«
    Michelle schwieg einen Moment mit gesenktem Kopf, dann blickte sie auf.
    »Das kann sein«, sagte sie. »Vielleicht hast du recht.« Ihr Ausdruck wurde wieder fröhlicher. »Jetzt, da ich nicht mehr reite, wird’s sich zeigen.«
    Patricia lachte. »Das ist eine gute Einstellung.«
    »Obwohl ich Pferde an sich mag«, fügte Michelle hinzu und streichelte Monty, der inzwischen das Interesse an ihrer Kleidung verloren hatte und genüsslich neben ihnen graste. »Aber man kann ja Pferde mögen, ohne zu reiten, nicht?«
    »Klar«, bestätigte Patricia. »Was willst du denn nun machen statt reiten?«
    »Streetdance.« Michelle strahlte wieder. »Ich hab schon vor einem Jahr damit angefangen, und es macht voll Spaß. Nadine findet zwar, es sei nichts als albernes Rumgehopse, aber das sagt sie garantiert nur, weil sie’s nicht kann.«
    Patricia schnaubte angewidert. »Das sagt doch alles über deine Schwester.«
    »Ich lass es mir auch nicht von ihr verderben«, bekräftigte Michelle. Sie zwinkerte Patricia zu. »Da bin ich nämlich ausnahmsweise richtig gut drin.«
    »Na siehste!« Patricia freute sich ehrlich mit ihr. »Ich hab dir nie geglaubt, dass es wirklich nichts gibt, was du kannst – weißt du noch?«
    »Oh ja, das weiß ich noch. Du warst sowieso immer so nett zu mir, ich hab viel von dir gelernt!«
    Patricia wurde verlegen. »Unsinn.«
    »Doch, wirklich!« Michelle sah sie bewundernd an. »Und eigentlich warst du es, die mich drauf gebracht hat.«
    »Auf was?«
    »Na ja, du reitest ja auch nicht, obwohl du es sogar gut kannst. Ich dachte mir, Patricia mag das Reiten auch nicht, obwohl sie Pferde gern hat, also kann es nicht das Wahre sein. Und da hab ich angefangen, darüber nachzudenken, ob ich das denn wirklich so dringend will.« Michelle sah sie gespannt an, als sie ihre Erklärung beendete.
    Patricia stand stocksteif.
    Michelle kannte ihre wahren Beweggründe nicht und konnte ja nicht ahnen, in was für eine Wunde sie ihren Finger legte. Schnell schluckte Patricia den Kloß in ihrem Hals hinunter und zwang sich zu einem Lächeln.
    »Ich finde jedenfalls, dass du dich richtig entschieden hast. Du kannst stolz auf dich sein.«
    »Danke.« Michelle war sichtlich gerührt, doch dann lachte sie wieder. »Aber du brauchst nicht zu denken, dass du mich schon so schnell loswirst. Ich komm natürlich trotzdem noch.«
    »Auf den McNair-Hof?«
    »Klar. Ich will doch Linus weiter besuchen und die anderen Pferde. Und dich«, fügte Michelle noch hinzu.
    Patricia wurde es warm ums Herz. Womit hatte sie diese uneingeschränkte Zuneigung verdient? Sie verspürte beinahe ein schlechtes Gewissen.
    »Seid ihr denn noch länger hier?«, fragte sie – sie wusste schließlich, dass auch Michelle mit ihrer Familie in den Highlands bloß Urlaub machte, ansonsten lebte sie in Aberdeen.
    »Bis Samstag«, nickte Michelle. »Also noch drei Tage. Und wann fährst du wieder nach Hause?«
    »Nächsten Samstag«, gab Patricia Auskunft und dachte dabei, wie rasch die Zeit doch vergangen war. Dallis fiel ihr ein. Besonders lange würde sie sich nicht mehr um sie kümmern können.
    Und Ethan würde sich ebenfalls beeilen müssen, falls es ihm mit der Freundschaft ernst war.
    Sie blickte auf die Uhr und erschrak.
    »Weil wir gerade davon reden, ich muss weiter. Ich mach mir Sorgen um Dallis.«
    »Dallis? Die ist doch vorhin mit zum Ausritt weg«, berichtete Michelle. »Diese blöde Emily reitet sie heute.«
    »Wie bitte?« Patricia erstarrte. Sie traute ihren Ohren nicht. Und sie merkte, wie eine unbändige Wut in ihr aufstieg.
    Michelle beobachtete sie leicht besorgt. Patricia merkte es und riss sich zusammen. Michelle

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