Der Ruf der Pferde
sowieso nie mehr begegnen würde, wunderte sich Patricia.
Ethan zog die Stirn kraus. »Du denkst sicher, ich soll mich verpissen, oder?«
Patricia sah ihn an, in ihren Augen lag ein Leuchten.
»Nein, das denke ich nicht«, sagte sie weich. »Ganz bestimmt nicht.«
»Wirklich?« Ethans Blick wirkte erleichtert.
Patricia nickte, leicht verlegen. »Und außerdem war es ja nicht allein deine Schuld. Ich hab doch genauso blöd reagiert.«
»Unsinn«, widersprach Ethan. »Ich hab dich grundlos angeschnauzt . . .«
»Aber wenn ich nicht gleich so fies zurückgeschossen hätte, wär das alles nicht so weit gekommen«, wehrte Patricia ab.
Die beiden schauten sich an und brachen dann gleichzeitig in lautes Lachen aus.
»Okay, einigen wir uns drauf, wir haben beide Mist gebaut«, sagte Ethan und wischte sich eine Lachträne aus dem Auge.
»Und damit ist’s vergessen«, stimmte Patricia zu.
»Genau, vergeben und vergessen.« Ethan lächelte zwar immer noch, aber in seinem Blick lag tiefer Ernst, als er Patricia seine Hand entgegenstreckte.
»Freunde?«
Patricia sah ihn an.
Was sollte das?, fragte sie sich. Okay, der Streit war begraben, sie wollten sich ab sofort vertragen. Aber gleich Freunde? So etwas konnte man doch nicht einfach beschließen, das musste sich ergeben!
Doch etwas in seinen dunklen Augen, die aufmerksam auf ihrem Gesicht ruhten, ließ sie ahnen, dass es so sein würde.
Und ohne den Blick von Ethan zu lösen, legte sie ihre Hand in seine.
»Freunde«, sagte sie.
Stumm schauten sie sich an.
Fernes Wiehern ließ beide zurückzucken.
Sonny stellte die Ohren auf und gab Antwort und Ethan drehte sich im Sattel, um zu schauen, wer da kam.
»Eine der Gruppen«, erklärte Patricia mit einem Blick auf die ihre Armbanduhr. »Ich muss jetzt los, meine Freundin ist vermutlich dabei.« Sie scheute sich irgendwie davor, zuzugeben, dass es sich bei dieser Freundin um ein Pony handelte.
»Ja, ich muss auch weiter«, stimmte Ethan zu. »Hab zu Hause noch was zu tun.«
Jetzt erst fiel Patricia auf, dass er allein war. »Wo ist denn dein Hund?«
Ethans Miene verdüsterte sich ein wenig. »Leider ist es nicht meiner«, sagte er. »Laird gehört meinem Vater. Und der hat in letzter Zeit was dagegen, dass ich ihn mitnehme. Hat Angst, er vergisst mit mir seinen Drill.«
»Warum das denn?«, meinte Patricia und zog die Augenbraue hoch. Ihr war deutlich anzusehen, was sie davon hielt.
Ethan hob die Schultern und Patricia, die sein Gesicht scharf beobachtete, merkte, dass ihm das Thema unangenehm war.
»Mach dir nichts draus.« Patricia legte ihm ohne Nachdenken die Hand auf den Steigbügel.
Ethan wirkte wenig überzeugt. »Also, ich verschwinde dann mal.« Er nahm die Zügel auf und drehte Sonny auf der Hinterhand um. »Vielleicht bis bald?«
Patricia war einen Schritt zurückgetreten, um dem Pferd Platz zu machen.
»Bestimmt«, nickte sie.
»Was meinst du, wir könnten doch mal zusammen reiten?« Ethan schaute sie fragend an.
Patricias Gesicht verschloss sich.
»Nein«, sagte sie. »Ich reite nicht.« Ihr Ton war nicht unfreundlich, aber Ethan spürte sofort, dass er in ein Fettnäpfchen getreten war.
Wenn er jetzt fragt, warum nicht, spring ich ihm ins Gesicht, dachte Patricia. Freunde hin oder her, sie wollte einfach nicht darüber reden.
Doch Ethan fragte nicht. Er sah Patricia nur an.
In seinem Blick las sie weder Neugierde noch Befremden. Eher Verständnis. Und noch etwas anderes, was Patricia nicht einzuschätzen wusste.
Und während sie ihm stumm hinterherblickte, als er nach kurzem Gruß nun endgültig davonritt, empfand sie ein merkwürdiges Gefühl. Es erschien ihr, als habe sich eine schwere Last, die seit Langem auf ihr ruhte, ein wenig gehoben. Als könne sie auf einmal leichter atmen.
Und in ihrem Magen kribbelte es.
19.
»Hallo Patricia!«
Die helle Stimme ließ Patricia zusammenzucken. Sie war so in Gedanken gewesen, dass sie nichts um sich herum wahrnahm und von Michelle regelrecht überrascht wurde. Doch nun verdrängte sie alle Grübeleien über Ethan aus ihrem Kopf und bemühte sich um ein unbefangenes Lächeln.
»Hey Michelle, wo kommst du denn her?« Mit Erstaunen sah sie das jüngere Mädchen herankommen. Michelle führte ein ungesatteltes Pony am Weidehalfter neben sich her.
Das löwenfarbige Tier kam ihr irgendwie bekannt vor und sie brauchte nur einen Moment, um sich an seinen Namen zu erinnern.
»Was machst du denn mit Monty?«
Michelle streichelte den Hals des
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