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Der Ruf der Steine

Der Ruf der Steine

Titel: Der Ruf der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Goshgarian
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Beschwörungen an, mit denen du die Menschen und die Natur und besonders unsere Kinder heimgesucht hast. Du sollst gestehen, mit dem Teufel im Bund zu sein, um das Königreich unseres Herrn und Retters Jesus Christus zu zerstören. Was hast du zu diesen Anschuldigungen zu sagen?«
    »Wie kann eine schwache Frau wie ich solche Untaten gegen Mensch und Natur überhaupt vollbringen?«
    »Wie? Mit Hilfe der dämonischen Mächte.«
    »Wenn die mir zu Gebote stünden, würde ich dich und alle anderen aus meinem Land vertreiben.«
    »Gestehe!«, forderte er.
    »Ja, genau«, rief jemand aus der Menge.
    »Gestehe und rette deine Seele«, rief ein anderer.
    »Ja, gestehe!«
    Die Frau musterte den Kreis ihrer Ankläger. »Seht euch doch an, ihr christlichen Lämmer in eurer blassen Frömmigkeit. Ihr seid nur gekommen, um den Verwünschungen einer Hexe zu lauschen.« Sie spuckte aus. »Aber statt zu gestehen, spucke ich auf euch!«
    Ein wilder Proteststurm erhob sich.
    Peter trat dicht hinter die anderen, um die angeschuldigte Frau besser sehen zu können. Unter dem Haar lag das Gesicht in tiefem Schatten, aber das dunkle Gewand konnte er erkennen. Und die Schuhe. Sie waren weiß. Doch mehr noch irritierte ihn ihre Stimme. Sie klang seltsam vertraut.
    Der Priester hob die Bibel in die Höhe und sprach: »Habe ich nicht euch zwölf ausgewählt, und doch ist einer unter euch der Teufel?« Er hielt ihr das Buch entgegen. »Wir werden dich für deine Hexerei zur Rechenschaft ziehen und erwarten dein Geständnis.«
    »Eher vereist der Frost die Hölle!«
    Wieder protestierte die Menge.
    Peter wunderte sich über den Trotz der Frau. Weshalb gab sie denn nicht einfach zu, was man von ihr verlangte?
    »Du hast kein Recht, mich ohne Magistrat oder Gericht zu verurteilen!«, schrie die Frau.
    »Wir sind das Gericht Gottes und die Gemeinde von Neu Jerusalem.« Reverend Oates schwenkte die Bibel. »Gibt es eine höhere Autorität auf Erden?«
    »Dein Gott hat in meinem Land keine Macht.«
    Wieder erhob sich lauter Protest.
    »Dann gibst du also zu, dass dies ein Tempel dämonischer Geister ist?«
    Die Versammelten hielten den Atem an. Die Frau schwieg, aber in der erwartungsvollen Stille meinte Peter ein leises Lachen zu hören.
    »Wie? Hat der Teufel im Angesicht von Gottes Wahrheit keine Stimme mehr?«
    Wieder keine Antwort, nur das leise Glucksen.
    Offenbar hatte Reverend Oates es ebenfalls gehört, denn Peter sah, wie seine Augen zornig aufblitzten. »Bringt Eure Zeugen, Mr. Herrick!«, gebot er.
    Ein lauter Schrei ließ Peter zusammenfahren.
    Aus dem Hintergrund taumelten drei Jungen mit schreckensbleichen Gesichtern in den Kreis. Erregt kauerten sie nieder. Der kleinste mit kurzen Locken wollte die Frau nicht ansehen. Offensichtlich hatte man ihm gesagt, was eine Hexe mit ihren Augen vermochte. Der zweite war etwas mutiger und sah verstohlen zu der Frau hinüber. Der dritte Junge jedoch, der größer als die anderen beiden war und in Peters Nähe stand, suchte mit fiebrigem Blick unter den Umstehenden nach seiner Mutter. Als er sie erblickte, stieß er einen klagenden Schrei aus. In der nächsten Sekunde lag er am Boden und krallte die Hände in seinen Magen, als ob er sich die Eingeweide herausreißen wollte.
    »Gütiger Gott, rette mein Kind!«, schrie seine Mutter. Sie löste sich aus dem Kreis, doch der Priester hielt sie mit dem Arm zurück.
    »Lass ihn!«, bellte er. »Lass die Hexe mit eigenen Augen sehen, welches Leid sie diesem Kind antut!«
    Der Junge wand sich im Staub, trat in alle Richtungen um sich, krampfte sich zusammen und jaulte wie ein tollwütiges Tier. Die Kratzspuren auf seinem Bauch bluteten, und die Hexe sah fasziniert auf ihn hinunter.
    Der zweite Junge konnte das Leiden seines Freundes nicht mit ansehen. Er warf sich neben ihm zu Boden, wälzte sich im Schmutz und schlug sich mit den Fäusten gegen den Kopf.
    Entsetzensschreie ertönten aus der Menge. »Gott stehe ihnen bei!«, schrie eine Frau.
    Der erste Junge war auf die Knie gesunken, Tränen rannen ihm aus den Augen, und sein Kinn zitterte hilflos. Peter trat noch einen Schritt näher heran. Der Junge sah einem Kind ähnlich, das er einmal gekannt hatte.
    »Der junge Worthy Oates will etwas sagen«, stieß jemand hervor.
    Der Junge, offenbar der Sohn des Priesters, brabbelte unverständliches Zeug. Plötzlich ergriff er Erde und warf sie sich ins Gesicht, dabei strömten Tränen über seine Wangen. Erstarrt sah Peter zu, wie der Junge sich selbst

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