Der Ruf der Steine
misshandelte. Der große Junge kniete inzwischen direkt neben ihm, die Zunge hing ihm aus dem Mund, und er verdrehte die aufgerissenen Augen, die so groß wie Hühnereier waren. Der dritte war mitten in den Kreis gehüpft, drückte sich grunzend wie ein krankes Tier in den Schmutz und schlug stöhnend die Stirn auf die Erde, als ob er grauenhafte Bilder in seinem Kopf zerstören müsste.
Unter dem Aufschrei der Menge ging der Priester um die Jungen herum direkt auf Brigid Mocnessa zu. »Siehst du jetzt, was du angerichtet hast?«, tönte seine Stimme. »Glaubst du nicht auch, dass die Jungen verhext sind?«
Die Frau stand reglos und schweigend da, und ihr Lachen war verklungen. Dann wandte sie sich dem Sohn des Priesters zu, dessen Gesicht völlig verkrustet war.
Der Priester triumphierte. »Es ist also wahr: Angesichts der göttlichen Wahrheit bleibt der Teufel stumm!«
»Gottes Wahrheit soll verdammt sein!«, rief die Frau.
»Rette sie!« Eine der Frauen riss an ihren Haaren. »Rette ihre Seelen!«
Andere bargen ihr Gesicht in den Händen und flehten für die Jungen um Gnade. Im Licht der Laternen konnte Peter deutlich erkennen, welche Genugtuung dem Priester dieses Spektakel bereitete. Unter der Soutane schien er zu wachsen, und als er sich über die Jungen beugte, wirkte er gewaltig wie ein granitener Monolith.
»Sieh sie dir an, Hexe!« Im Licht der Laterne war nur eine Hälfte seines Gesichts zu sehen, die andere lag im Dunkeln. »Sieh, was du angerichtet hast!«
Schweigend betrachtete die Frau die Szene. Ihr Gesicht lag noch immer im Schatten, aber sie schien den Sohn des Priesters zu fixieren. Der Junge bohrte sein Gesicht in die Erde, als ob er darin begraben sein wollte.
In einer ruckartigen Bewegung fuhr der Priester herum. »Seid unbesorgt, meine Kinder«, tönte er mit Donnerstimme. »Euch wird kein Leid geschehen.« Einen nach dem anderen berührte er die Köpfe der Kinder.
Sekunden später war nur noch leises Wimmern und Schluchzen zu hören. Zwei der Jungen standen auf, nur der Sohn des Priesters lag immer noch mit dem Gesicht im Schmutz und stöhnte leise.
»Erhebe dich, Worthy Oates«, sagte sein Vater. »Sie hat keine Macht über dich.« Er hielt die Bibel über den Jungen, während Mr. Herrick ihm aufstehen half.
Langsam und zitternd kam der Junge hoch, aber das Gesicht hielt er gesenkt. Seine Hände bebten, und als er ins Licht gezogen wurde, konnte Peter erkennen, dass er am ganzen Körper schlotterte.
Der Priester legte dem Jungen die Hand auf den Kopf. »Worthy Oates, sag uns, was du gesehen hast. Sag uns, welche Zauberei du gesehen hast.«
»Du hast nichts gesehen!« Die Stimme der Hexe zischte. »Nichts hast du gesehen! Nichts!«
Langsam hob der Junge seinen Kopf. Sein Gesicht war mit Erde und Blut beschmiert. Ein lautes Stöhnen entrang sich Peters Kehle. Es war Andy.
Daddy … Daddy … Ich wollte sie nicht töten.
In panischem Schrecken schoss Peter hoch.
Andy wälzte sich unruhig in seinem Bett und murmelte unzusammenhängende Worte. Peter stand auf, streichelte seinen Sohn und flüsterte ihm ins Ohr, dass ihm nichts geschehen könnte. Aber gleichzeitig war er gereizt. Der Traum hatte ihn gefesselt, und er hätte gern gewusst, wie die Sache weiterging. Als er Andy die Decke zum Hals hochzog, fühlte er sich plötzlich an die Halluzination von gestern erinnert, weil Andy dieselbe Haltung eingenommen hatte.
Er küsste den Kleinen auf die Haare. »Du hast nur schlecht geträumt. Jetzt ist alles gut. Daddy ist bei dir.«
Als Andy wieder fest schlief, kroch Peter ins Bett zurück. Er sah noch die ängstlichen, verdreckten Gesichter der Jungen vor sich und dachte an die dunkelhaarige Frau, die trotzig alle Anschuldigungen zurückgewiesen hatte. Ein seltsamer, ein verwirrender Traum, dachte er und wünschte, dass er dorthin zurückkehren könnte, wo er herausgerissen worden war.
Aber es gelang ihm nicht. Stattdessen verbrachte er die nächsten Stunden in beunruhigender Leere.
10
Am nächsten Morgen erwachte Peter mit dem Gefühl, die Nacht an einem anderen Ort verbracht zu haben.
Der Traum hielt Peter noch einige Stunden lang gefangen, da er nicht recht wusste, wie er ihn deuten sollte. Er hatte gelesen, dass Träume geheime Ängste spiegelten, Ängste, die bei Tag entstanden waren, aber das half ihm nicht weiter. Connie hatte zwar die indianische Hexenbraut erwähnt, und sein Unterbewusstsein hatte sich eine wilde Geschichte ausgedacht – aber ganz und gar ohne
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