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Der Ruf der Steine

Der Ruf der Steine

Titel: Der Ruf der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Goshgarian
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deutlich entfärbt, weil es jahrhundertelang in einem Sockel gesteckt hatte.
    »Mein Gott!«, rief Peter.
    Während der Stein langsam aus dem Sand auftauchte, erschauderte er vor Ehrfurcht, wie man bei einer Geburt, beim ersten Sex oder beim Tod eines geliebten Menschen erschauert. Ein Wendepunkt des Lebens. Ein Augenblick, der sich einprägte. Seine Auferstehung.
    Die vier Steine bildeten einen Viertelkreis.
    »Es geht in Erfüllung«, flüsterte er.

 

    24
    Am späten Nachmittag waren alle Zweifel ausgeräumt.
    Sie hatten noch vier weitere Steine entlang des Hügelumfangs ausgegraben. Vier grob behauene Granitquader, die genau wie die anderen flach auf der Erde lagen und einmal zusammen einen Kreis gebildet hatten. Wie auf der Radierung. Das restliche Viertel des Hügels war zwar immer noch eine große Aufgabe, aber Peter hatte bereits deutlich vor Augen, wie sich das Bild vervollständigen würde.
    In seiner Vorstellung standen die acht Steine bereits Spalier.
    »Ist das nicht wunderbar!« Vor Begeisterung fiel Sparky Peter quietschend um den Hals.
    »Ich mag es gar nicht laut aussprechen.« Mit zitternden Händen fischte er ein Moosehead-Bier aus der Kühlbox und öffnete den Verschluss. Dann setzte er die Flasche an die Lippen und leerte sie zur Hälfte.
    Jackie kletterte vom Bagger herunter und tauschte mit Andy im Vorbeigehen einen anerkennenden Klaps ihrer Handflächen. Seine Muskeln waren schweißnass, und sein Körper schimmerte wie eine bronzene Statue. Mit einem Hunderttausendwatt-Grinsen stürzte er auf Peter zu. »Hey, Mann, diese Grabung wird von Minute zu Minute aufregender!«
    Peter reichte ihm eine Flasche Bier und Sparky und Connie ebenfalls. »Du bedauerst also nicht, dass dir Atlantis durch die Lappen gegangen ist?«
    »Wirklich nicht!« Jackies Gesicht glänzte wie ein polierter Apfel. Er trank aus seiner Flasche. »Vielleicht ist die alte Lady ja doch nicht so verrückt wie gedacht.«
    »Gut möglich.« Peter trank noch einen Schluck und merkte deutlich, wie ihn das Bier beruhigte. Dann ließ er sich auf der Kühlbox nieder, während die anderen einen der Steine als Sitzbank benutzten. Andy verzog sich wieder zu der Siebanlage, wo er schon den ganzen Nachmittag über an einer Sandburg gewerkelt hatte. Er wirkte ein wenig bedrückt, aber wahrscheinlich war er nur müde. Es war ein anstrengender Tag gewesen.
    »Selbst bei vorsichtigster Betrachtungsweise sieht es ganz danach aus, als ob wir eine Gruppe von Steinen entdeckt hätten, die einmal aufrecht gestanden haben«, erklärte Peter. Er konnte nicht länger still sitzen und lief wie im Hörsaal unruhig hin und her. »Die Entfärbung an der Basis spricht dafür, außerdem der regelmäßige Abstand und das Fehlen aller sonstigen Baumaterialien. Ohne die Radierung in Betracht zu ziehen, gibt es drei mögliche Theorien: Erstens – es handelt sich bei diesem Steinkreis um eine Imitation aus der Kolonialzeit, zweitens – um ein Werk der amerikanischen Indianer, und drittens – um das Werk präkolumbianischer Einwanderer aus Europa, wie Hannah behauptet.«
    »Und welche Theorie ist die wahrscheinlichste?«, fragte Jackie.
    »Wissenschaftlich gesehen leider die Imitation. In der Geschichte der nordamerikanischen Indianer finden sich keine derartigen Steinbauten. Die Algonquin-Indianer haben zwar gepflasterte Gebetsplätze angelegt, auch Anlagen zum Trocknen der Fische, aber nie in Kreisform und erst recht nicht in diesen Ausmaßen. Die dritte Möglichkeit ist zwar die aufregendste, aber gleichzeitig auch die unwahrscheinlichste.«
    »Und wie steht es mit den Wikingern?«, fragte Sparky. »Die sind doch lange vor Kolumbus nach Amerika gelangt, oder nicht?«
    »Darüber ist man sich nicht einig«, erklärte Peter. »Auf Neufundland wurde zwar eine bedeutende Wikingeransiedlung aus dem elften Jahrhundert entdeckt, aber offenbar sind sie nie weiter nach Süden vorgedrungen. Die wahrscheinlichste Erklärungsmöglichkeit für unseren Steinkreis ist und bleibt die Imitation.«
    »Ganz schön aufwändig«, meinte Connie, »aus purem Vergnügen solch große Brocken auf den Hügel zu bugsieren!« Offensichtlich hatte der aufregende Fund ihre Laune gebessert. Eine nachhaltigere Versicherung gegen Flanagans Repressalien ließ sich ja auch kaum denken.
    »Das ist sicher richtig, aber allzu ungewöhnlich ist es auch wieder nicht.«
    Jackie trank einen Schluck Bier. »Alles gut und schön – aber wozu dienten diese Kreise überhaupt? Ich meine Stonehenge

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