Der Ruf der Steine
und die anderen. Waren es Tempel oder Observatorien oder was sonst?«
»Diese Frage kann bisher niemand mit Sicherheit beantworten«, dozierte Peter. »Die Menschen der Steinzeit kannten noch keine Schrift, aber die Archäologie hat verschiedene Erklärungsversuche erarbeitet – weltliche, spirituelle und astronomische. Außerdem gibt es Beweise, dass diese Orte auch als Handelsplätze genutzt wurden.«
»Ich habe gelesen, dass einige dieser Anlagen wie Uhren oder Kalender funktionierten.«
»Ja«, ergänzte Jackie. »Man konnte die Mondphasen und Sonnenauf- und untergänge berechnen.«
»Es stimmt, dass die Steine für ihre Erbauer auch astronomische Funktionen hatten. In Stonehenge, zum Beispiel, lassen sich einige Fluchtlinien nachweisen, die genau den Sonnenwenden entsprechen.«
»Gibt es nicht auch Anlagen, mit deren Hilfe man eine Sonnenfinsternis bis auf die Sekunde genau berechnen konnte?«, fragte Jackie. »Ich meine, das irgendwo gelesen zu haben.«
»Und der Autor wurde vermutlich von Big Foot auf dem Motorrad entführt«, lachte Peter. »Um eine Sonnenfinsternis vorherzusagen, bedarf es weit größerer geometrischer und astronomischer Fähigkeiten als die, die wir den Erbauern der Steinkreise zutrauen. Diese Menschen waren ohne Zweifel fleißig, aber trotzdem waren es noch primitive Gesellschaften. Für derartig komplizierte mathematische Fähigkeiten gibt es keinen Nachweis. Außerdem sind alle Aussagen, die sich mit Hilfe der Steine machen lassen, von ihrer Anordnung und Ausrichtung abhängig. In einem Kreis existieren allein zwischen zwei Steinen bereits zehn gedachte Linien – über die höchsten Punkte, von rechts nach rechts, von links nach links, von links nach rechts, von rechts nach links, und in die Gegenrichtung alles noch einmal. Bei einem Kreis von zehn Steinen ergeben sich bereits über hundert Linien, sodass sich für jedes Himmelsereignis einige Steine in der richtigen Stellung finden lassen.«
»Demnach wissen wir also überhaupt nichts«, warf Connie ein.
»Genau.«
Der Ort auf der Klippe hat magische Kräfte … Hannahs Worte echoten in Peters Kopf.
»Im Angesicht dieser Steine werden Wissenschaft und Bücher bedeutungslos.«
»Hat man eigentlich nie menschliche Überreste in diesen Kreisen gefunden?«
»Manchmal schon«, gab Peter zur Antwort und trank einen Schluck. »Die Steinkreise haben sehr unterschiedlichen Ritualen gedient.«
»Auch Menschenopfern?«, fragte Sparky.
Peter spürte, wie sich sein Kopf benebelte. Rauch. Einen Moment später war es vorbei. Er trank seine Flasche aus. »Manchmal, aber das ist nun wirklich nicht mein Fachgebiet.«
»Ich habe gelesen, dass die Kelten die Steine als Wohnort des Geistes ihrer Vorfahren verehrten. Man wollte die Ahnen durch Opfer milde stimmen.«
»Auch das stimmt. Die Steine waren Sinnbilder der Unsterblichkeit.« Peter betrachtete die niedergelegten Kolosse. »Es gibt kein eindrucksvolleres Monument der Ewigkeit als einen solchen Steinkreis.«
»Er mahnt an die Vergänglichkeit aller Dinge«, sagte Connie.
»Zu schade, dass wir kein Telefon haben, um Merritt Bescheid zu geben«, sagte Jackie.
»Merritt?« Peter irritierte der Gedanke, dass etwas erst offiziell anerkannt sein sollte, wenn Dan Merritt sein Plazet gegeben hatte.
»Wir werden es ihm doch mitteilen, oder?«
»Wir werden niemandem irgendetwas mitteilen«, entgegnete Peter. »Vorläufig haben wir lediglich einige Steine gefunden.«
»Und was ist mit der Radierung?«, fragte Sparky.
»Zugegeben, die Vorstellung ist verheißungsvoll. Aber uns interessieren vorläufig nur Alter und Herkunft der Steine.«
Die Vorstellung, auf dieser Klippe einen Steinkreis aus dem frühmorgendlichen Dunst auftauchen oder im warmen Licht des Sonnenuntergangs aufleuchten zu sehen, beflügelte seine Fantasie. »Solange wir keine Anhaltspunkte für eine zweifelsfreie Datierung gefunden haben, wird uns kein Mensch in der großen weiten Welt ernst nehmen.«
Es war beinahe sechs Uhr – und das hieß, dass sie fast ohne Pause den ganzen Tag über geschuftet hatten. Und danach sahen sie auch aus. Sie waren alle erschöpft und freuten sich auf einen entspannenden Abend.
Nur Peter nicht. Er war gereizt und wollte unbedingt den restlichen Hügel abtragen – und wenn es die ganze Nacht dauern sollte. Dabei ging es ihm weniger um die restlichen Steine, auf deren Existenz er sein Leben verwettet hätte, sondern vielmehr um mögliche Zeugnisse menschlichen Lebens. Um Werkzeuge,
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