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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Gesicht, als hielte er ein defektes Sägeblatt für eine armselige Entschuldigung dafür, daß man ihn nicht standesgemäß empfangen hatte. Ihrem zusammengepreßten Mund nach zu urteilen, teilte Jocasta diese Ansicht.
    Jamie hustete, streckte die Hand aus und zupfte mir ein kleines Grasbüschel aus den Haaren.

    »Ich meine, ich hätte ein Lunchpaket gesehen, oder, Tante Jocasta? Vielleicht möchtest du dem Leutnant eine kleine Erfrischung anbieten, während ich mich hier ums Aufräumen kümmere?«
    Das war genau der richtige Vorschlag. Jocastas Lippen entspannten sich ein wenig, und Wolff sah bei dem Wort »Lunch« schon entschieden glücklicher aus.
    »Das wollen wir tun, lieber Neffe.« Sie richtete sich auf und nickte mit wiederhergestellter Autorität in die Richtung, aus der Wolffs Stimme kam. »Leutnant, dürfte ich Euch einladen, uns beim Essen Gesellschaft zu leisten?«
     
    Im Lauf des Mittagessens erfuhr ich, daß der Leutnant die Terpentinanlage einmal im Vierteljahr besuchte. Während dieses Besuches wurde dann ein Vertrag über den Erwerb und die Lieferung diverser Vorräte für die Marine aufgesetzt. Es war Aufgabe des Leutnants, mit allen Plantagenbesitzern von Cross Creek bis zur Grenze von Virginia ähnliche Abmachungen zu treffen und zu erneuern, und Leutnant Wolff gab uns deutlich zu verstehen, welchen Teil der Kolonie er bevorzugte.
    »Wenn es eins gibt, wovon ich zugeben muß, daß sich die Schotten dabei selbst übertreffen«, verkündete der Leutnant reichlich aufgeblasen, während er einen kräftigen Schluck aus seinem dritten Becher Whisky nahm, »dann ist es die Herstellung von Trinkbarem.«
    Farquard Campbell, der anerkennend an seinem Zinnbecher genippt hatte, lächelte mit leiser Ironie und schwieg. Jocasta saß neben ihm auf einer wackeligen Bank. Ihre Finger ruhten leicht auf seinem Arm, empfindlich wie ein Seismograph, der auf unterirdische Erschütterungen wartet.
    Wolff versuchte erfolglos, einen Rülpser zu unterdrücken und ließ mich dann etwas verspätet in den Genuß dessen kommen, was er wohl für seinen Charme hielt.
    »In fast jeder anderen Hinsicht«, fuhr er fort, während er sich vertraulich zu mir herüberbeugte, »sind sie ein fauler und sturer Menschenschlag, was sie unfähig macht zum -« An dieser Stelle stürzte der jüngste Fähnrich, rot vor Verlegenheit, eine Schüssel mit Äpfeln um und sorgte damit für ausreichende Ablenkung, um den Leutnant an der Vollendung seines Satzes zu hindern - allerdings reichte es unglücklicherweise nicht aus, um ihn auf andere Gedanken zu bringen.
    Der Leutnant tupfte sich den Schweiß ab, der ihm unter der Prücke hervorlief, und blickte mich aus blutunterlaufenen Augen an.
    »Gehe ich recht in der Annahme, daß Ihr keine Schottin seid,
Ma’am? Eure Stimme ist höchst melodiös und gebildet, wenn ich das sagen darf. Ihr habt nicht die Spur eines barbarischen Akzents, trotz Eures Umgangs.«
    »Äh… danke«, murmelte ich und fragte mich, welche Laune der Verwaltung den Leutnant als Vertreter der Marine in das Tal des Cape Fear geschickt hatte, wo es wahrscheinlich mehr schottische Highlander gab als in der ganzen übrigen Neuen Welt zusammen. Ich begann zu verstehen, was Josh mit »Och, die verflixte Marine« gemeint hatte.
    Jocastas Lächeln hätte angeklebt sein können. Neben ihr zuckte Mr. Campbell kaum merklich mit seinen Augenbrauen und machte ein würdevolles Gesicht. Dem Leutnant ein Obstmesser ins Herz zu rammen, kam offensichtlich nicht in Frage - zumindest nicht, solange er die Bestellung nicht unterzeichnet hatte -, also tat ich das Zweitbeste, was mir einfiel: Ich nahm die Whiskyflasche und füllte ihm den Becher noch einmal bis zum Rand.
    »Er ist furchtbar gut, nicht wahr? Wollt Ihr nicht noch ein Schlückchen, Leutnant?«
    Er war wirklich gut - weich und warm. Und sehr teuer. Ich wandte mich an den jüngsten Fähnrich, lächelte ihn freundlich an und überließ es dem Leutnant, den Weg zum Boden der Flasche allein zu finden.
    Die Unterhaltung setzte sich holprig, aber ohne weitere Zwischenfälle fort, obwohl die beiden Fähnriche von der anderen Seite des Tisches ein wachsames Auge auf die Fortschritte des Trunkenboldes hatten. Kein Wunder: Schließlich mußten sie den Leutnant auf ein Pferd hieven und heil nach Cross Creek zurückbringen. Allmählich ging mir auf, wieso sie zu zweit waren.
    »Mr. Fraser scheint seine Sache ganz großartig zu machen«, murmelte der ältere Fähnrich und deutete in einem zaghaften

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