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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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sein«, sagte Jocasta so laut, daß man sie auch bei dem Lärm noch hören konnte. »Er freut sich, wenn er Menschen sieht. Und wer ist bei ihm? Bist du das, Pompey?«
    »Ja’m. Ch’bins.« Der Sklave packte das Maultier bei der Oberlippe und drehte sie kräftig um. »Halsmaul, Miskel!« Gerade übersetzte ich das im Geiste mit »Halt’s Maul, du Mistkerl!«, da drehte der Mann sich zu uns um, und ich sah, daß sein Genuschel daher rührte, daß ihm sein linker Unterkiefer fehlte; unter dem Wangenknochen wich sein Gesicht einfach in eine tiefe Höhlung zurück, die mit Narbengewebe ausgefüllt war.
    Jocasta mußte gehört haben, wie ich erschrocken nach Luft schnappte - oder auch einfach mit einer solchen Reaktion gerechnet haben -, denn sie wandte mir ihre Augenbinde zu.
    »Es war eine Explosion beim Teerschwelen - glücklicherweise ist er nicht dabei umgekommen. Kommt, wir sind fast bei der Terpentinanlage.« Ohne auf ihren Stallknecht zu warten, drehte sie zielsicher ihr Pferd um und machte sich zwischen den Bäumen hindurch in die Richtung auf, aus der der Brandgeruch kam.
    Der Kontrast der Terpentinanlage zur Stille des Waldes war erstaunlich; eine große Lichtung voller Menschen, die vor Geschäftigkeit summte. Die meisten waren Sklaven, die nur mit dem Nötigsten bekleidet waren, die Gliedmaßen und Körper mit Asche bedeckt.
    »Ist jemand bei den Hütten?« Jocasta wandte mir den Kopf zu.
    Ich stellte mich in den Steigbügeln auf, um nachzusehen. Am anderen Ende der Lichtung erblickte ich bei einer Reihe baufälliger Hütten einen Farbtupfer: drei Männer in der Uniform der britischen Marine und ein weiterer in einem flaschengrünen Rock.

    »Das dürfte mein bester Freund sein«, sagte Jocasta und lächelte zufrieden bei meiner Beschreibung. »Mr. Farquard Campbell. Komm, Neffe, ich möchte, daß du ihn kennenlernst.«
    Aus der Nähe betrachtet, erwies sich Campbell als ein Mann von etwa sechzig, nicht mehr als mittelgroß und von jener ledrigen Härte, die manche Schotten im Alter annehmen. Nicht so sehr ein Verwitterungsprozeß als vielmehr eine Gerbung, die in einer ledrigen Oberfläche ähnlich der eines Lederschildes resultiert und selbst die schärfste Klinge abwehren kann.
    Campbell begrüßte Jocasta erfreut, verbeugte sich höflich vor mir, registrierte Ian mit einem Zucken seiner Augenbrauen und wandte sich dann mit der ganzen Ausdruckskraft seiner gewitzten grauen Augen an Jamie.
    »Ich bin sehr erfreut, daß Ihr hier seid, Mr. Fraser«, sagte er und streckte die Hand aus. »Wirklich sehr erfreut. Ich habe viel von Euch gehört, seit Eure Tante erfahren hat, daß Ihr River Run besuchen wollt.«
    Er schien wirklich erfreut, Jamie kennenzulernen, was mir merkwürdig vorkam.
    Nicht, daß es nicht die meisten Menschen freute, Jamie kennenzulernen - er war ein sehr einnehmender Mann, wenn ich das sagen darf -, doch es schien fast so etwas wie Erleichterung in Campbells überschwenglicher Begrüßung zu liegen, was mir ungewöhnlich vorkam bei einem Mann, dessen äußerliche Erscheinung eher auf Zurückhaltung und Schweigsamkeit schließen ließ.
    Falls es Jamie merkwürdig vorkam, so verbarg er dies hinter einer Fassade der Höflichkeit.
    »Eure Aufmerksamkeit schmeichelt mir, Mr. Campbell.« Jamie lächelte freundlich und verbeugte sich vor den Marineoffizieren. »Meine Herren? Ich bin ebenfalls erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen.«
    Auf dieses Stichwort hin stellten sich eine rundliche, finster dreinblickende kleine Person namens Leutnant Wolff und seine beiden Fähnriche vor und verbeugten sich flüchtig, um mich und Jocasta dann aus ihren Gedanken und Gesprächen zu verbannen und ihre Aufmerksamkeit augenblicklich einer Unterhaltung über Festmeter und Hektoliter zuzuwenden.
    Jamie zog die Augenbraue hoch, deutete mit leichtem Kopfnicken auf Jocasta und bedeutete mir in ehelicher Signalsprache, daß ich mir seine Tante schnappen und mich mit ihr verdrücken solle, während es ums Geschäft ging.

    Jocasta zeigte allerdings nicht die geringste Bereitschaft, sich zu entfernen.
    »Geht nur, meine Liebe«, drängte sie mich. »Josh wird Euch alles zeigen. Ich warte einfach im Schatten, während die Herren ihre Geschäfte erledigen. Die Hitze ist einfach zuviel für mich, fürchte ich.«
    Die Männer hatten in einer Hütte mit offener Front Platz genommen, in der ein einfacher Tisch und eine Anzahl Hocker standen; wahrscheinlich nahmen hier die Sklaven ihre Mahlzeiten zu sich und nahmen die

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