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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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mir unentbehrlich vorkam.
    Jetzt, wo ich mich im Schutz des Bergrückens befand, wehte der Wind schwächer, doch der Regen prasselte immer noch auf mich nieder, und der Boden war trügerisch, da sich der Schlamm auf dem Weg in Flüssigkeit verwandelt hatte, auf deren Oberfläche eine Laubschicht verräterisch wie Treibsand dahintrieb. Ich spürte das Unbehagen des Pferdes, dessen Hufe mit jedem Schritt ausglitten.
    »Guter Junge«, sagte ich beschwichtigend. »Geh schön weiter, so ist’s gut.« Das Pferd richtete leicht die Ohren auf, hielt aber den Kopf gesenkt und ging vorsichtig weiter.
    »Schlammfuß?« sagte ich. »Wie wär’s damit?«
    Das Pferd hatte zur Zeit keinen Namen - oder vielmehr, es hatte einen, doch ich kannte ihn nicht. Der Mann, von dem Jamie es gekauft hatte, hatte es mit einem deutschen Namen gerufen, von dem Jamie sagte, er sei für das Pferd einer Dame nicht geeignet. Als ich ihn gebeten hatte, den Namen zu übersetzen, hatte er nur die Lippen zusammengepreßt und ein schottisches Gesicht gemacht, woraus ich schloß, daß er ziemlich schlimm sein mußte. Ich hatte die alte Frau Mueller fragen wollen, was er bedeutete, hatte es aber in der Eile des Aufbruchs vergessen.
    Jamies Theorie war sowieso, daß das Pferd seinen wahren - oder zumindest seinen aussprechbaren - Namen im Lauf der Zeit preisgeben würde, und so behielten wir das Tier im Auge und hofften, etwas über seinen Charakter herauszufinden. Nach einem Proberitt hatte Ian »Häschen« vorgeschlagen, doch Jamie hatte nur den Kopf geschüttelt und gesagt, nein, das sei es nicht.
    »Wackelzeh?« schlug ich vor. »Leichtfuß? Verdammt!«
    Das Pferd war völlig zum Stehen gekommen, und zwar aus gutem Grund. Ein kleines Wildwasser gurgelte fröhlich den Hügel herunter und sprang ganz ungehemmt von Fels zu Fels. Es war wunderschön, das Wasser rauschte kristallklar über die dunklen Felsen und das grüne Laub. Unglücklicherweise lief es auch über die Reste des Pfades,
die der Macht der Ereignisse nicht gewachsen und talwärts den Abhang heruntergerutscht waren.
    Ich saß still da und triefte vor mich hin. Ich konnte den Erdrutsch nicht umgehen. Rechts von mir stieg der Hügel beinahe senkrecht in die Höhe, und Büsche und Schößlinge sprossen aus den Spalten der Felswand, und links fiel er so steil in die Tiefe, daß es Selbstmord gewesen wäre, dort hinunterzusteigen. Unter Flüchen wich ich mit dem namenlosen Pferd zurück und kehrte um.
    Wäre das Hochwasser nicht gewesen, wäre ich zu den Muellers zurückgekehrt und hätte Jamie und Ian noch ein bißchen länger für sich selbst sorgen lassen. Doch so hatte ich keine Wahl - ich konnte mir entweder einen anderen Weg nach Hause suchen oder hierbleiben und ertrinken.
    Erschöpft verfolgten wir unsere Spur zurück. Keine vierhundert Meter von dem Erdrutsch entfernt fand ich eine Stelle, wo der Abhang in einen kleinen Sattel überging, eine Mulde zwischen zwei »Hörnern« aus Granit. Solche Formationen gab es hier häufig; eine besonders große auf einem Berg in der Nähe, die ihm den Namen Teufelsspitze eingebracht hatte. Wenn ich den Sattel überqueren, auf die andere Seite des Hügels gelangen und dann an diesem entlang weiterreiten konnte, würde ich irgendwann wieder auf den Pfad stoßen, wenn er den Kamm in Richtung Süden kreuzte.
    Von dem Sattel aus hatte ich einen kurzen, klaren Blick auf das Vorgebirge und das blaue Tal dahinter. Doch die Berggipfel auf der anderen Seite waren hinter schwarzen Regenwolken verborgen, die gelegentlich vom Flackern versteckter Blitze erleuchtet wurden.
    Jetzt, wo der Höhepunkt des Sturms anscheinend vorüber war, hatte der Wind nachgelassen. Es regnete noch stärker, und ich blieb so lange stehen, wie nötig war, um meine kalten Finger von den Zügeln loszueisen und mir die Kapuze meines Umhangs aufzusetzen.
    Auf dieser Seite des Hügels kamen wir gut voran, denn der Boden war felsig, aber nicht allzu steil. Wir bahnten uns unseren Weg durch kleine Haine mit rotbeerigen Bergebereschen und größere Ansammlungen von Eichen. Ich merkte mir den Standort eines riesigen Brombeerdickichts, auf das ich später zurückkommen wollte, blieb aber nicht stehen. Ich konnte mich so schon glücklich schätzen, wenn ich noch im Hellen nach Hause kam.
    Um mich von den kalten Rinnsalen abzulenken, die mir den Hals herabliefen, führte ich in Gedanken eine Inventur der Vorratskammer durch. Was konnte ich zum Abendessen machen, wenn ich erst einmal angekommen

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