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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Sack oben zu und hob ihn auf seine Schulter. Auf dem Weg nach draußen blieb er stehen und warf einen Blick auf den zugedeckten Schädel.
    »Du hast gesagt, du glaubst nicht, daß er Christ war,« sagte er und sah mich neugierig an. »Warum denn, Sassenach?«
    Ich zögerte, doch die Zeit reichte nicht, um ihm von meinem Traum zu erzählen - wenn es ein Traum gewesen war. Ich konnte hören, wie Duncan und Ian plaudernd auf das Haus zukamen.
    »Ohne besonderen Grund«, sagte ich achselzuckend.
    »Aye, gut«, sagte er. »Dann behaupten wir es einfach.«

24
    Die große Kunst des Liebesbriefs
    Oxford, März 1971
    Roger nahm an, daß es in Inverness genausooft regnete wie in Oxford, aber irgendwie hatte ihm der Regen im Norden noch nie etwas ausgemacht. Der kalte, schottische Wind, der vom Moray Firth landeinwärts wehte, regte ihn an, und wenn ihn der Regen durchnäßte, wurden seine Lebensgeister geweckt und erfrischt.
    Doch das war Schottland mit Brianna an seiner Seite gewesen. Jetzt war sie in Amerika, er in England, und Oxford war kalt und farblos, die Straßen und Gebäude grau wie die Asche eines erloschenen Feuers. Regen prasselte ihm auf die Schultern seines Talars, als er über den Hof des Colleges eilte, einen Arm voller Papiere von den Popelinfalten verdeckt. Als er den Schutz der Portiersloge erreicht hatte, blieb er stehen, um sich zu schütteln wie ein Hund, und versprühte dabei Tropfen auf dem steinernen Durchgang.
    »Irgendwelche Post?« fragte er.
    »Glaube schon, Mr. Wakefield. Augenblickchen.« Martin verschwand in seinem Allerheiligsten, und Roger las in der Zwischenzeit die Namen der Kriegsgefallenen des Colleges, die in die Steintafel im Eingangsbereich gemeißelt waren.
    George Vanlandingham, Esq. The Honorable Phillip Menzies. Joseph William Roscoe. Roger ertappte sich nicht zum ersten Mal dabei, daß er über diese toten Helden nachdachte und darüber, was für Menschen sie wohl gewesen waren. Seit er Brianna und ihre Mutter kennengelernt hatte, stellte er fest, daß die Vergangenheit nur allzuoft ein verstörend menschliches Gesicht trug.
    »Hier, Mr. Wakefield.« Martin beugte sich strahlend über die Theke und hielt ihm einen dünnen Briefstapel hin. »Heute einer aus den Staaten«, fügte er augenzwinkernd hinzu.
    Roger spürte, wie als Antwort ein Grinsen sein Gesicht überzog, und augenblicklich breitete sich ein Wärmegefühl von seiner Brust in seine Gliedmaßen aus und vertrieb die Kühle des Regentages.

    »Werden wir Ihre junge Dame bald hier begrüßen, Mr. Wakefield?« Martin reckte den Hals und schielte unverhohlen auf den Brief mit den amerikanischen Briefmarken. Der Portier hatte Brianna kennengelernt, als sie kurz vor Weihnachten mit Roger heruntergekommen war, und er war ihrem Charme erlegen.
    »Ich hoffe es. Vielleicht im Sommer. Danke!«
    Er wandte sich seiner Treppe zu und steckte die Briefe sorgfältig in den Ärmel seines Talars, während er nach seinem Schlüssel suchte. Wenn er an den Sommer dachte, fühlte er eine Mischung aus Freude und Frustration. Sie hatte gesagt, sie würde im Juli kommen, doch bis dahin waren es noch vier Monate. Je nach seiner Stimmung glaubte er, daß er keine vier Tage mehr überstehen konnte.
     
    Roger faltete den Brief wieder zusammen und steckte ihn in seine Innentasche, über seinem Herzen. Sie schrieb ihm alle paar Tage, von kurzen Notizen bis hin zu langen Berichten, und jeder ihrer Briefe rief ein sanftes, warmes Glühen in ihm hervor, das meistens bis zur Ankunft des nächsten anhielt.
    Doch gleichzeitig waren ihre Briefe zur Zeit etwas unbefriedigend. Immer noch voll warmer Zuneigung, immer mit »In Liebe« unterzeichnet, immer voller Versicherungen, daß er ihr fehlte und sie ihn gern bei sich hätte. Aber nicht mehr die Art von Worten, mit der man Papier in Flammen setzt.
    Vielleicht war es natürlich; eine normale Entwicklung, jetzt, da sie sich länger kannten; niemand konnte in alle Ewigkeit täglich einen leidenschaftlichen Brief schreiben, nicht, wenn er ehrlich war.
    Er bildete es sich bestimmt nur ein, daß Brianna sich in ihren Briefen zurücknahm. Es mußten ja nicht unbedingt die Exzesse der Freundin eines Bekannten sein, die sich ein paar Schamhaare abgeschnitten und sie in einen Brief gesteckt hatte - obwohl er die Geisteshaltung hinter dieser Geste bewunderte.
    Er biß in sein Sandwich und kaute geistesabwesend, während er an den letzten Artikel dachte, den Fiona ihm geschickt hatte. Jetzt, da sie verheiratet war,

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