Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
das winzige Aborthäuschen gemacht hatte. Ich streckte einen Fuß nach hinten aus und tastete nach der Türschwelle. Das gefiel der Schlange überhaupt nicht; ich erstarrte erneut, als das warnende Rasseln an Lautstärke zunahm. Ich konnte ihre vibrierende Schwanzspitze sehen, aufgerichtet wie ein dicker, gelber Finger, der unverschämt aus dem verschlungenen Haufen aufzeigte.
    Mein Mund war so trocken wie Papier geworden; ich biß mir auf die Innenseite meiner Wange, um den Speichelfluß ein wenig anzuregen.
    Wie lang war sie? Ich meinte mich daran erinnern zu können, daß Brianna mir vorgelesen hatte - aus ihrem Pfadfinderhandbuch -,daß Klapperschlangen aus einer Entfernung von bis zu einem Drittel ihrer Körperlänge angreifen konnten. Kaum mehr als ein halber Meter
trennte meine vom Nachthemd bedeckten Oberschenkel von dem widerwärtigen, flachen Kopf mit seinen lidlosen Augen.
    War sie anderthalb Meter lang? Es war unmöglich, es zu sagen, doch das Gewimmel ihrer Windungen sah unangenehm massiv aus, und der runde Körper bestand aus nichts anderem als schuppenbedeckten Muskeln. Es war eine verdammt große Schlange, und die Angst davor, bei der kleinsten Bewegung schändlich in den Schritt gebissen zu werden, reichte aus, um mich auf der Stelle zu halten.
    Ich konnte allerdings nicht ewig still stehenbleiben. Von allen anderen Überlegungen einmal abgesehen, hatte der Schreck beim Anblick der Schlange den Drang meiner Körperfunktionen nicht im mindesten verringert.
    Ich hegte eine vage Vermutung, daß Schlangen taub waren; vielleicht konnte ich um Hilfe rufen. Doch was, wenn es nicht so war? Da gab es diese Sherlock-Holmes-Geschichte, über die Schlange, die auf Pfeiftöne reagierte. Vielleicht würde die Schlange sich zumindest nicht angegriffen fühlen, wenn ich pfiff? Vorsichtig spitzte ich die Lippen und blies. Es kam nur ein dünner Luftzug heraus.
    »Claire?« sagte eine verwunderte Stimme hinter mir. »Was zum Teufel machst du da?«
    Ich fuhr bei dem Geräusch auf und die Schlange ebenfalls - oder zumindest machte sie eine plötzliche Bewegung und spannte ihre Körperwindungen an, so daß es aussah, als stünde ihr Angriff unmittelbar bevor.
    Ich erstarrte im Türrahmen, und die Schlange hörte auf, sich zu bewegen. Nur das chronische Surren ihrer Rassel erinnerte weiter an das ärgerliche Summen eines Weckers, der einfach keine Ruhe geben wollte.
    »Hier drin ist eine verdammte Schlange«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen und bemühte mich, nicht einmal meine Lippen zu bewegen.
    »Schön, warum stehst du dann hier? Geh zur Seite, und ich werfe sie hinaus.« Ich hörte Jamies Schritte näher kommen.
    Die Schlange hörte ihn ebenfalls - offensichtlich war sie nicht taub - und rasselte noch heftiger.
    »Ah«, sagte Jamie in einem anderen Tonfall. Ich hörte ein Rascheln, als er sich bückte. »Beweg dich nicht, Sassenach.«
    Ich hatte keine Zeit, auf diesen überflüssigen Ratschlag zu antworten, denn schon schwirrte ein dicker Stein an meiner Hüfte vorbei und traf die Schlange mittschiffs. Sie wickelte sich zu einer Art
gordischem Knoten zusammen, wand sich, zuckte - und fiel in den Abort, wo sie mit einem häßlichen, hohlen Wack! landete.
    Ich wartete nicht auf eine Gelegenheit, dem siegreichen Krieger zu gratulieren, sondern machte statt dessen kehrt und rannte zur nächstgelegenen Baumgruppe. Der Saum meines Nachthemdes schlug mir taufeucht um die Knöchel.
    Als ich einige Minuten später in einer gesetzteren Verfassung zurückkehrte, fand ich Jamie und Ian gemeinsam in den Abort gezwängt - was ob ihrer Größe nur gerade eben paßte -,und letzterer hockte mit einer Kiefernfackel auf der Bank, während der Erstgenannte sich über das Loch beugte und in die Tiefe sah.
    »Können die schwimmen?« fragte Ian, während er versuchte, an Jamies Kopf vorbeizusehen, ohne das Haar seines Onkels in Brand zu stecken.
    »Ich weiß nicht«, sagte Jamie zweifelnd. »Es könnte aber sein. Mich interessiert mehr, ob sie springen können.«
    Ian fuhr zurück und lachte dann ein wenig nervös, denn er war sich nicht ganz sicher, ob Jamie nur scherzte.
    »Also, ich kann nichts sehen; gib mir das Licht.« Jamie streckte die Hand nach oben, um Ian den Kiefernspan abzunehmen, den er dann vorsichtig in das Loch senkte.
    »Wenn der Gestank die Flamme nicht auslöscht, stecken wir wahrscheinlich den Abort an«, brummte er und bückte sich tief. »Also, jetzt, wo zum Teufel -«
    »Da ist sie! Ich sehe sie!« rief

Weitere Kostenlose Bücher