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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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seine Strafpredigt noch fortsetzen, doch ihr Onkel legte seine Hand auf Jamies Arm, um ihn zum Schweigen zu bringen. Ians überraschter Gesichtsausdruck verwandelte sich in eine Art belustigten Respekt.
    »Hat sie das?« Er sah Lizzie an, die hinter Brianna kauerte, und seine Lippen zuckten. »Mmpfm. Tja, dann kann man wohl nichts mehr sagen, oder?«
    Der kleine Jamie war sich in diesem Punkt mit seinem Vater offensichtlich nicht einig; ihm fiel alles mögliche ein, was er sagen konnte.
    »Aber so ein junges Mädchen - sie ist doch völlig unbrauchbar!« Er schwenkte verächtlich die Hand in Lizzies Richtung und runzelte die Stirn. »Sie ist ja nicht einmal groß genug, um das Gepäck zu tragen, ganz zu schweigen von…«
    »Ich bin groß genug, um mein Gepäck selbst zu tragen, danke«, warf Brianna ein. Sie runzelte die Augenbrauen und zahlte ihrem Vetter den finsteren Blick mit gleicher Münze zurück. Dabei richtete sie sich auf, um ihre Größe zu betonen.
    Er registrierte dies mit einer hochgezogenen Augenbraue, gab aber nicht auf.
    »Eine Frau sollte nicht allein reisen…«
    »Ich werde nicht allein sein. Ich habe Lizzie.«
    »…und schon gar nicht an einen Ort wie Amerika! Also, es ist…«
    »Man könnte meinen, es wäre das Ende der Welt, wenn man dich reden hört, und dabei hast du es noch nie selbst gesehen!« sagte Brianna ungeduldig. »Ich bin in Amerika geboren , Himmel noch mal!«
    Onkel und Vetter starrten sie mit dem gleichen schockierten Gesichtsausdruck an. Sie ergriff die Gelegenheit, um ihren Vorsprung auszubauen.
    »Es ist mein Geld, mein Dienstmädchen und meine Reise. Ich habe ihr mein Wort gegeben, und ich halte es auch!«

    Ian rieb sich mit dem Knöchel über die Oberlippe und unterdrückte ein Grinsen. Er schüttelte den Kopf.
    »Man sagt, nur besonders kluge Kinder wissen, wer ihr Vater ist, aber ich glaube nicht, daß man irgendwelchen Zweifel daran haben kann, wer deiner ist, Kleine. Deine lange Nase und die roten Locken hättest du überall herhaben können, aber deine Sturheit hast du von keinem anderen als Jamie Fraser.«
    Verlegene Röte stieg ihr in die Wangen, doch Brianna spürte ein seltsames Aufflackern von etwas, das Vergnügen sein mußte.
    Der kleine Jamie hatte zwar in dem Streit Federn gelassen, doch er machte einen letzten Versuch.
    »Es gehört sich nicht für eine Frau, ihre Meinung so offen zu sagen, schon gar nicht, wenn sich ihre Begleiter um sie kümmern können«, sagte er steif.
    »Du meinst, Frauen sollten keine eigene Meinung haben?« fragte Brianna honigsüß.
    »Ja, das meine ich!«
    Ian warf seinem Sohn einen langen Blick zu.
    »Und du bist, wie lange, acht Jahre verheiratet?« Er schüttelte den Kopf. »Aye, na ja, deine Joan ist sehr taktvoll.« Ohne Jamies tiefschwarzen Blick zu beachten, wandte er sich wieder an Lizzie.
    »Also gut. Geh und verabschiede dich von deinem Vater, Kleine. Ich kümmere mich um deine Papiere.« Er sah zu, wie Lizzie davonhuschte, die schmalen Schultern zum Schutz vor der Menge hochgezogen. Er schüttelte ein wenig skeptisch den Kopf und wandte sich wieder an Brianna.
    »Na ja, vielleicht ist sie eine angenehmere Begleitung für dich als ein männlicher Bediensteter, Kleine, aber in einer Sache hat dein Vetter recht - sie kann dich nicht beschützen. Es wird eher so sein, daß du auf sie aufpaßt.«
    Brianna richtete sich auf und streckte das Kinn vor. Der plötzlichen Leere zum Trotz, die sie befiel, brachte sie soviel Selbstbewußtsein auf, wie sie nur konnte.
    »Ich komme schon klar«, sagte sie.
     
    Sie hielt die Finger fest gekrümmt und klammerte sich an den Stein in ihrer Handfläche. Wenigstens etwas, woran sie sich festhalten konnte, als der Moray Firth sich weitete und in die offene See überging und Schottlands schützendes Ufer auf beiden Seiten zurückwich.
    Wie kam es nur, daß sie so starke Gefühle für ein Land empfand, das sie kaum kannte? Lizzie, die in Schottland geboren und aufgewachsen
war, hatte keinen Blick für das schwindende Land übriggehabt, sondern war sofort unter Deck gegangen, um ihnen einen Platz zu sichern und die wenigen Besitztümer, die sie dabeihatten, zu verstauen.
    Brianna hatte sich selbst nie als Schottin betrachtet - hatte bis vor kurzem keine Ahnung gehabt, daß sie Schottin war -, und doch hatten der Abschied von ihrer Mutter oder der Tod ihres Vaters sie kaum mehr erschüttert als dieser Abschied von Menschen und einer Gegend, die sie gerade erst kennengelernt hatte.
    Vielleicht

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