Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
Wahl als Geschichte: solide, faktenabhängig, beruhigend unveränderbar. Vor allem kontrollierbar. Sie nahm sich einen Stift, spitzte ihn langsam - eine Vorbereitung, die sie genoß -, beugte dann den Kopf und las die erste Aufgabe.
    Langsam wie immer wob die unausweichliche Logik der Summen ihr Netz in ihrem Kopf, fing alle Zufallsgedanken ein und wickelte die verwirrenden Gefühle in Seidenfäden, als wären sie Fliegen. Um die Zentralachse des mathematischen Problems spann die Logik ihr Netz, ordentlich und voller Schönheit wie das juwelenbesetzte Werk einer Radnetzspinne. Nur ein kleiner Gedanke verfing sich nicht in ihren Netzen und flatterte frei wie ein heller, winziger Schmetterling.
    Ich bin froh, daß du ja gesagt hast , hatte er gesagt. Sie war es auch.
     
    Juli 1969
    »Spricht er wie die Beatles? Ich sterbe, wenn er sich anhört wie John Lennon. Du weißt, wie der redet? Das haut mich einfach um.«
    »Er hört sich überhaupt nicht wie John Lennon an, verflixt und zugenäht!« zischte Brianna. Sie warf einen vorsichtigen Blick um einen Betonpfeiler, doch der Flugsteig für Internationale Ankünfte war immer noch leer. »Kannst du jemanden aus Liverpool nicht von einem Schotten unterscheiden?«
    »Nein«, sagte ihre Freundin Gayle fröhlich und schüttelte ihr blondes Haar aus. »Für mich hören sich alle Engländer gleich an. Ich könnte ihnen ewig zuhören!«
    »Er ist kein Engländer. Ich habe dir doch gesagt, daß er ein Schotte ist!«
    Gayle warf Brianna einen Blick zu, der deutlich besagte, daß sie ihre Freundin für verrückt hielt.
    »Schottland gehört zu England, ich habe es auf der Karte nachgesehen.«
    »Schottland gehört zu Großbritannien, nicht zu England.«
    »Und wo ist da der Unterschied?« Gayle machte einen langen Hals
und schaute um den Pfeiler. »Warum stehen wir hier hinten? Da wird er uns nie sehen.«
    Brianna fuhr sich mit der Hand durch das Haar, um es zu glätten. Sie standen hinter einem Pfeiler, weil sie sich nicht sicher war, ob sie wollte , daß er sie sah. Jetzt war es aber nicht mehr zu ändern, die ersten Passagiere kamen zerzaust und mit Gepäck beladen durch die Doppeltür.
    Sie ließ sich von der immer noch quasselnden Gayle in die Hauptempfangszone schleifen. Die Zunge ihrer Freundin führte eine Doppelexistenz: Obwohl Gayle in der Uni durchaus zu kühlem und vernünftigem Diskurs in der Lage war, war ihre wichtigste Fähigkeit im Umgang mit anderen, auf ein Stichwort hin wie ein Wasserfall zu reden. Deswegen hatte Brianna Gayle gebeten, mit zum Flughafen zu kommen und Roger abzuholen - so waren befangene Pausen in der Unterhaltung ausgeschlossen.
    »Hast du es schon mit ihm getan?«
    Sie fuhr aufgeschreckt zu Gayle herum.
    »Was?«
    Gayle rollte mit den Augen.
    »Sackhüpfen gespielt. Also ehrlich, Brianna!«
    »Nein. Natürlich nicht.« Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg.
    »Und, wirst du es tun?«
    »Gayle!«
    »Also, ich meine, du hast deine eigene Wohnung und alles, und keiner wird -«
    In diesem ungeeigneten Moment erschien Roger Wakefield. Er trug ein weißes Hemd und schmuddelige Jeans, und Brianna mußte bei seinem Anblick erstarrt sein, denn Gayle drehte eilig den Kopf, um herauszufinden, wohin Brianna blickte.
    »Ooh«, sagte sie entzückt. »Ist er das? Er sieht aus wie ein Pirat!«
    Das stimmte, und Brianna spürte, wie ihr Magen noch ein paar Zentimeter tiefer sank. Roger war das, was ihre Mutter einen schwarzen Kelten nannte, mit reiner Olivenhaut, schwarzem Haar und dichten, schwarzen Wimpern. Seine Augen, die man sich blau vorgestellt hätte, waren aber überraschend dunkelgrün. Mit den Haaren, die zerzaust und so lang waren, daß sie seinen Kragen streiften, und den Bartstoppeln sah er nicht nur verwegen, sondern geradezu gefährlich aus.
    Bei seinem Anblick prickelte ein Alarmzeichen an ihrer Wirbelsäule hoch, und sie wischte sich die schwitzenden Handflächen an
den Seiten ihrer bestickten Jeans ab. Sie hätte ihn nicht kommen lassen sollen.
    Dann sah er sie, und sein Gesicht glühte auf wie eine Kerze. Sie spürte, wie sich trotz ihrer Bedenken auch in ihrem Gesicht ein breites, idiotisches Grinsen ausbreitete, und ohne weiter über böse Vorahnungen nachzudenken, rannte sie durch den Raum, vorbei an streunenden Kindern und Gepäckwagen.
    Er traf sie in der Mitte und riß sie fast von den Füßen, weil er sie so fest umarmte, daß ihre Rippen ächzten. Er küßte sie, hielt inne und küßte sie noch einmal, und seine

Weitere Kostenlose Bücher