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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ein Stück brennendes Papier über Bord. Es verschwand im Nebel wie eine Sternschnuppe.
    Roger atmete aus, und es klang kaum leiser als die Wale. Wie nah war ihm Bonnet gewesen? Hatte der Kapitän ihn aus dem Frachtraum kommen sehen?
    »Dann können sie das Schiff also nicht beschädigen?« fragte er in nicht minder beiläufigem Ton als der Kapitän.
    Bonnet rauchte einen Augenblick lang schweigend und konzentrierte sich auf die Züge an seiner Zigarre. Ohne die Beleuchtung durch die offene Flamme war er wieder ein Schatten, dessen Position allein die Glut seiner Zigarrenspitze verriet.
    »Wer weiß?« sagte er schließlich, und kleine Rauchwölkchen pufften beim Sprechen zwischen seinen Zähnen hervor. »Jedes einzelne dieser Tiere könnte uns versenken, wenn es sich ärgert. Ich habe einmal ein Schiff gesehen - oder was davon übrig war -, das ein wütender Wal in Stücke geschmettert hatte. Eine meterlange Planke und ein paar treibende Latten - versenkt mit Mann und Maus, zweihundert Seelen.«
    »Die Möglichkeit scheint Euch keine großen Sorgen zu bereiten.«
    Er hörte Bonnet langsam ausatmen, ein schwaches Echo der Walseufzer, als er mit gespitzten Lippen den Rauch hervorblies.
    »Ich würde nur meine Kraft vergeuden, wenn ich mir Sorgen
machen würde. Ein kluger Mann überläßt die Dinge, die nicht in seiner Macht liegen, den Göttern - und betet, daß Danu ihm beisteht.« Die Hutkrempe des Kapitäns wandte sich ihm zu. »Ihr wißt doch, wer Danu ist, oder, MacKenzie?«
    »Danu?« sagte Roger geplättet, und dann fiel der Groschen, und die Erinnerung an ein altes Lied kehrte aus den Nebeln der Kindheit zu ihm zurück. »Komm zu mir, Danu, bring mir Glück. Mach mich kühn. Gib mir Gold - und laß mir Liebe blühn.«
    Hinter dem Glimmen erklang ein belustigtes Grunzen.
    »Ah, und dabei seid Ihr noch nicht einmal Ire. Aber ich hab’ ja gleich gewußt, daß Ihr ein Gelehrter seid, MacKenzie.«
    »Ich kenne Danu, die Glücksbringerin«, sagte Roger und hoffte wider jede Wahrscheinlichkeit, daß besagte keltische Göttin eine gute Seefahrerin war und auf seiner Seite stand. Er trat einen Schritt zurück und wollte gehen, doch eine Hand senkte sich auf sein Handgelenk und hielt ihn fest.
    »Ein gelehrter Mann«, wiederholte Bonnet leise, und jede Leichtigkeit war aus seiner Stimme gewichen, »aber kein weiser. Seid Ihr denn wenigstens ein Mann des Gebets, MacKenzie?«
    Er spannte sich an, spürte aber die Kraft in Bonnets Griff und zog sich nicht zurück. Seine Gliedmaßen sammelten ihre Kräfte, denn sein Körper wußte schneller als er, daß der Kampf gekommen war.
    »Ich habe gesagt, ein weiser Mann sorgt sich nicht um Dinge, die nicht in seiner Macht liegen, doch auf diesem Schiff, MacKenzie, liegt alles in meiner Macht.« Der Griff um sein Handgelenk verhärtete sich. »Alles und jeder.«
    Roger riß sein Handgelenk zur Seite und entwand sich dem Griff. Er stand allein da, wohl wissend, daß es keine Hilfe und auch kein Entkommen gab. Es gab keine Welt jenseits des Schiffes, und auf ihm, da hatte Bonnet recht, befanden sich alle in der Gewalt des Kapitäns. Wenn er starb, würde das Morag nicht helfen - doch diese Entscheidung war bereits gefallen.
    »Warum?« fragte Bonnet, der sich nur schwach interessiert anhörte. »Die Frau ist doch keine Schönheit. Und noch dazu so ein gebildeter Mann; würdet Ihr mein Schiff und mein Geschäft nur um eines warmen Körpers willen aufs Spiel setzen?«
    »Ich setze nichts aufs Spiel.« Die Worte kamen heiser heraus, denn er zwang sie durch seine zugeschnürte Kehle hindurch. Geh schon auf mich los, dachte er, und seine Fäuste ballten sich an seinen Seiten. Geh auf mich los und laß mir eine Chance, dich mit mir zu nehmen. »Das Kind hat keine Pocken - es ist ein harmloser Ausschlag.«

    »Ihr werdet mir vergeben, wenn ich meine unwissende Meinung über die Eure stelle, Mr. MacKenzie, aber ich bin hier der Kapitän.« Die Stimme war immer noch leise, doch das Gift war deutlich zu hören.
    »Es ist ein Kind, in Gottes Namen!«
    »Das ist es - und völlig wertlos.«
    »Für Euch vielleicht.«
    Es folgte ein Moment der Stille, der nur von einem entfernten Wusch in der weißen Leere unterbrochen wurde.
    »Und welchen Wert hat es für Euch?« fragte die Stimme unnachgiebig. »Warum?«
    Nur um eines warmen Körpers willen. Ja, deswegen. Für einen Hauch von Menschlichkeit, um sich wieder an die Zärtlichkeit zu erinnern, um die Hartnäckigkeit des Lebens im Angesicht des

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