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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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perfekt ausbalancierte und ihre natürliche Position in ihrer Schulterbeuge herausfand.
    Der Rückstoß war schwächer, als sie erwartet hatte; Schwarzpulver hatte nicht die Kraft moderner Patronen. Zweimal platzten Splitter von dem Felsen ab; beim dritten Mal löste sich das Holzstück in einen Splitterregen auf.
    »Nicht übel«, sagte er und zog eine Augenbraue hoch. »Und wo in Gottes Namen hast du schießen gelernt?«
    »Mein Vater war Sportschütze.« Sie senkte das Gewehr, und ihre Wangen waren vor Vergnügen gerötet. »Er hat mir beigebracht, mit einer Pistole oder einem Gewehr zu schießen. Und mit einer Schrotflinte.« Dann wurden ihre Wangen einen Ton röter, denn ihr fiel etwas ein. »Oh. Du kennst wohl keine Schrotflinte?«
    »Nein, ich denke nicht«, war alles was er sagte, und sein Gesicht blieb bewußt ausdruckslos.
    »Wie willst du den Bienenstock transportieren?« fragte sie, um den peinlichen Moment zu überspielen. Er zuckte mit den Achseln.

    »Oh, wenn die Bienen erst einmal schlafen, blase ich ein bißchen Rauch in ihren Stock, um sie zu betäuben. Dann hacke ich den Teil des Baumes los, der die Waben enthält, schiebe ein flaches Holzstück darunter und wickle das Ganze in mein Plaid. Wenn wir zu Hause sind, nagle ich oben und unten ein Stück Holz daran fest und baue einen Bienenstock.« Er lächelte sie an. »Morgen früh kommen die Bienen heraus, sehen sich um und machen sich auf den Weg zur nächsten Blume.«
    »Werden sie nicht merken, daß sie nicht da sind, wo sie hingehören?«
    Er zuckte erneut mit den Achseln.
    »Und wenn, was wollen sie dagegen tun? Sie haben keine Möglichkeit zurückzufinden, und sie fänden hier ja sowieso keinen Bau mehr vor. Nein, sie werden mit ihrer neuen Heimat schon zufrieden sein.« Er griff nach dem Gewehr. »Komm, ich will es saubermachen; es ist zu dunkel zum Schießen.«
    Die Unterhaltung erstarb, und sie saßen etwa eine halbe Stunde lang schweigend nebeneinander und sahen zu, wie Dunkelheit die tieferliegenden Täler füllte, eine unsichtbare Flut, die jede Minute höher kroch und die Baumstämme umspülte, so daß die grünen Wipfel auf einem dunklen See dahinzutreiben schienen.
    Schließlich räusperte sie sich, weil sie das Gefühl hatte, etwas sagen zu müssen.
    »Wird sich Mama keine Sorgen machen, wenn wir so spät zurückkommen?«
    Er schüttelte den Kopf, antwortete aber nicht; saß nur da, und ein Grashalm hing träge in seiner Hand. Der Mond schob sich über den Bäumen entlang, groß und golden, schief wie eine verschmierte Träne.
    »Deine Mutter hat mir einmal erzählt, daß die Menschen planen, auf den Mond zu fliegen«, sagte er plötzlich. »Sie hatten es wohl noch nicht getan, aber sie hatten es vor. Weißt du etwas davon?«
    Sie nickte und blickte gebannt auf den aufgehenden Mond.
    »Sie haben es getan. Ich meine, sie werden es tun.« Sie lächelte schwach. » Apollo haben sie es genannt - das Raketenschiff, mit dem sie geflogen sind.«
    Sie konnte das Lächeln sehen, mit dem er antwortete; der Mond stand hoch genug, um seine Strahlen auf die Lichtung zu werfen. Er drehte das Gesicht nach oben und überlegte.
    »Aye? Und was haben sie darüber gesagt, die Männer, die hingeflogen sind?«

    »Sie brauchten nichts zu sagen - sie haben Bilder zurückgeschickt. Ich habe dir doch vom Fernsehen erzählt?«
    Er sah etwas erschrocken aus, und sie wußte, daß er wie bei den meisten Dingen, die sie ihm über ihre Zeit erzählte, die Realität bewegter, vertonter Bilder nicht wirklich fassen konnte, ganz zu schweigen von der Vorstellung, daß man sie durch den luftleeren Raum schicken konnte.
    »Aye?« sagte er etwas unsicher. »Dann hast du diese Bilder also gesehen?«
    »Ja.« Sie lehnte sich leicht zurück, die Hände vor den Knien verschränkt, und blickte zu der unförmigen Kugel über ihnen auf. Sie war von einem schwachen Lichtkranz umgeben, und weiter draußen am sternklaren Himmel umrahmte sie ein perfekter Dunstring, als wäre sie ein großer, gelber Stein, der in einen schwarzen Teich geworfen worden und in dem Moment an der Oberfläche erstarrt war, als sich der erste Wellenring bildete.
    »Schönes Wetter morgen«, sagte er mit einem Blick zum Mond.
    »Ja?« Sie konnte die Dinge in ihrer Umgebung fast genauso deutlich wie bei Tageslicht sehen, nur daß sie jetzt farblos waren; alles war schwarz und grau - wie die Bilder, die sie jetzt beschrieb.
    »Wir haben stundenlang gewartet. Niemand konnte genau sagen, wie lange sie

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