Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
sie wegzureißen.
    Zu ermattet, um sich zu rühren, sah sie ihm zu, wie er in der Tränke einen Lappen anfeuchtete und ihr das Gesicht abwischte, ihr die verrutschten Röcke geradezog und ihr etwas zu trinken eingoß.
    Doch als er ihr den frischgefüllten Weinbecher gab, legte sie eine Hand auf seinen Arm. Sie spürte seine Knochen und Muskeln fest und warm unter ihrer Hand.
    »Du hättest dich wehren können. Aber du hast es nicht getan.«
    Er legte seine große Hand auf die ihre, drückte und ließ los.
    »Nein, das habe ich nicht«, sagte er ruhig. »Ich gab mein Wort - für das Leben deiner Mutter.« Er sah sie direkt an. In seinen Augen spiegelten sich jetzt weder Eis noch Saphir, sondern klares Wasser. »Ich bereue es nicht.«
    Er nahm sie bei den Schultern und legte sie in den Heuhaufen zurück.
    »Ruh dich ein bißchen aus, a leannan .«
    Sie legte sich hin, streckte aber die Hand nach ihm aus, als er sich neben sie kniete.
    »Stimmt es - daß ich es nicht vergessen werde?«
    Er hielt einen Moment inne, seine Hand auf ihrem Haar.
    »Aye, das stimmt«, sagte er leise. »Aber es stimmt auch, daß es nach einer Weile keine Rolle mehr spielt.«
    »Nicht?« Sie war zu müde, um sich zu fragen, was er damit meinte. Sie fühlte sich fast schwerelos; seltsam abwesend, als bewohnte sie ihren lästigen Körper nicht länger. »Selbst wenn ich nicht stark genug bin, um ihn umzubringen?«
    Ein klarer, kalter Luftzug von der offenen Tür schnitt durch die warme Rauchschicht und versetzte die Tiere in Bewegung. Die gescheckte Kuh verlagerte in plötzlicher Nervosität das Gewicht und gab ein tiefes »Muäh« von sich, weniger aus Not als aus Protest.
    Ihr Vater sah nach der Kuh, bevor er sich wieder zu ihr umdrehte.
    »Du bist eine sehr starke Frau, a bheanachd «, sagte er schließlich ganz leise.

    »Ich bin nicht stark. Du hast mir gerade bewiesen, daß ich nicht…«
    Seine Hand auf ihrer Schulter ließ sie innehalten.
    »Das meine ich nicht.« Er hielt inne und dachte nach. Seine Hand strich über ihr Haar, wieder und wieder.
    »Sie war zehn, als unsere Mutter starb. Jenny«, sagte er schließlich. »Am Tag nach der Beerdigung kam ich in die Küche und sah sie auf einem Hocker knien, damit sie groß genug war, um in der Schüssel auf dem Tisch zu rühren. Sie hatte Mutters Schürze an«, sagte er leise, »unter den Armen zusammengerafft und die Bänder zweimal um ihre Taille geschlungen. Ich konnte sehen, daß sie geweint hatte, genau wie ich, weil ihr Gesicht ganz scheckig war und sie rote Augen hatte. Aber sie rührte nur immer weiter und starrte in die Schüssel, und sie sagte zu mir ›Geh und wasch dich, Jamie; das Essen für dich und Pa ist sofort fertig.‹«
    Seine Augen schlossen sich ganz, und er schluckte. Dann öffnete er sie und sah Brianna wieder an.
    »Aye, ich weiß genau, wie stark Frauen sind«, sagte er ruhig. »Und du bist stark genug, um zu tun, was getan werden muß, m’annsachd - glaub’s mir.«
    Dann stand er auf und ging zu der Kuh hinüber. Sie hatte sich erhoben und drehte sich unruhig im Kreis, riß und schüttelte an ihrem Halfter. Er hielt sie am Haltestrick fest, beruhigte sie mit seinen Händen und mit Worten, trat hinter sie und runzelte konzentriert die Stirn. Brianna sah, wie er den Kopf wandte, nach seinem Dolch sah, und sich murmelnd zurückwandte.
    Also doch kein liebevoller Metzger. Ein Chirurg, auf seine Art, wie ihre Mutter. Aus ihrer seltsam entrückten Perspektive fiel ihr auf, wie sehr sich ihre Eltern - so extrem verschieden sie an Temperament und Charakter waren - in diesem einen Punkt glichen; dieser merkwürdigen Fähigkeit, Mitleid mit äußerster Schonungslosigkeit zu verbinden.
    Und doch waren sie selbst da noch verschieden, dachte sie; Claire konnte Leben und Tod in ihrer Hand halten und sich dabei selbst im Blick behalten, den Abstand wahren; ein Arzt mußte weiterleben, zum Wohl seiner Patienten, wenn nicht zu seinem eigenen. Jamie würde auf sich selbst keine Rücksicht nehmen, genausowenig - oder weniger - wie auf irgend jemand anderen.
    Er hatte das Plaid abgelegt; jetzt öffnete er sein Hemd, ohne Hast, aber auch ohne jede überflüssige Bewegung. Er zog sich das helle Leinen über den Kopf und legte es ordentlich zur Seite. Dann kehrte er zu seinem Wachtposten beim Schwanz der Färse zurück, bereit, ihr zu helfen.

    Eine Welle lief langsam über die runde Flanke der Kuh, und das Licht der Lampe schimmerte weiß auf dem kleinen Narbenknoten über Jamies

Weitere Kostenlose Bücher