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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Alexandre Ferigault. Vous êtes anglais?«
    »Schotte«, sagte Roger und setzte sich plötzlich hin, weil sein lahmes Bein nachgab.
    »Schotte? Wie kommt Ihr hierher? Seid Ihr Soldat?«
    »Gefangener.«
    Der Priester hockte sich neben ihn und betrachtete ihn neugierig. Er war ziemlich jung - Ende Zwanzig oder Anfang Dreißig, obwohl seine helle Haut von der Kälte aufgerissen und verwittert war.
    »Wollt Ihr mit mir essen?« Er deutete auf eine kleine Ansammlung von Tontöpfen und Körben, die Essen und Wasser enthielten.
    Seine eigene Sprache zu benutzen, schien für den Priester eine ebenso große Erleichterung zu bedeuten wie es das ungehinderte Sprechen für Roger war. Am Ende ihrer Mahlzeit hatten sie beide ein ansatzhaftes Wissen über die grundlegende Vergangenheit des anderen erworben - wenn auch noch keine Erklärung für ihre gegenwärtige Lage.
    »Warum haben sie mich mit Euch hier hineingesteckt?« fragte Roger, während er sich das Fett vom Mund wischte. Er glaubte nicht,
daß es darum ging, daß er dem Priester Gesellschaft leisten sollte. Rücksichtnahme gehörte nicht zu den herausragenden Charaktereigenschaften der Mohawk, soweit er das beurteilen konnte.
    »Ich kann es nicht sagen. Eigentlich war ich sehr erstaunt, einen anderen Weißen zu sehen.«
    Roger warf einen Blick auf die Tür der Hütte. Sie bewegte sich sacht; es war jemand draußen.
    »Seid Ihr ein Gefangener?« fragte er einigermaßen überrascht. Der Priester zögerte, dann zuckte er mit einem kleinen Lächeln die Achseln.
    »Auch das kann ich nicht sagen. Für die Mohawk ist man Kahnyen’kehaka , oder man ist - anders. Und wenn man anders ist, dann kann sich die Linie zwischen Gast und Gefangenem von einem Moment zum nächsten verschieben. Lassen wir es dabei, daß ich mehrere Jahre unter ihnen gelebt habe - doch ich bin nicht in den Stamm aufgenommen worden. Ich bin immer noch ›anders‹.« Er hustete und wechselte das Thema. »Wie ist es dazu gekommen, daß Ihr gefangengenommen wurdet?«
    Roger zögerte, da er nicht wirklich wußte, wie er antworten sollte.
    »Man hat mich verraten«, sagte er schließlich. »Verkauft.«
    Der Priester nickte mitfühlend.
    »Gibt es jemanden, der Euch auslösen würde? Sie werden sich Mühe geben, Euch am Leben zu erhalten, wenn sie auf ein Lösegeld hoffen.«
    Roger schüttelte den Kopf und fühlte sich hohl wie eine Trommel.
    »Niemand.«
     
    Das Gespräch verstummte, als das Licht, das durch den Rauchabzug fiel, zu dämmern begann und sie am Boden in Dunkelheit getaucht wurden. Es gab eine Feuerstelle, aber kein Holz; das Feuer war erloschen. Die Hütte schien verlassen zu sein; es stand ein aus Pfählen gezimmertes Bettgestell darin, sonst jedoch war sie leer bis auf ein paar zerfetzte Hirschfelle und ein Häufchen Haushaltsabfälle in einer Ecke.
    »Seid Ihr schon - lange - in dieser Hütte?« fragte Roger schließlich, um das Schweigen zu brechen. Er konnte den anderen Mann kaum sehen, obwohl die letzten Überreste des Zwielichts noch durch den Rauchabzug sichtbar waren.
    »Nein. Sie haben mich heute hergebracht - kurz, bevor Ihr gekommen seid.« Der Priester hustete und rutschte gequält auf dem Boden aus festgetrampelter Erde hin und her.

    Das kam ihm unheimlich vor, doch Roger hielt es für taktvoller - und weniger beängstigend -, es nicht zu erwähnen. Der Priester begriff zweifellos genausogut wie er, daß die Linie zwischen »Gast« und »Gefangenem« überschritten worden war. Was hatte der Mann getan?
    »Ihr seid ein Christ?« Alexandre brach das Schweigen.
    »Ja. Mein Vater ist Pastor gewesen.«
    »Ah. Darf ich um etwas bitten - wenn sie mich holen, werdet Ihr für mich beten?«
    Roger spürte plötzlich einen kalten Schauer, der nicht das geringste mit seiner freudlosen Umgebung zu tun hatte.
    »Ja«, sagte er verlegen. »Natürlich. Wenn Ihr wollt.«
    Der Priester erhob sich und begann, ruhelos den begrenzten Raum der Hütte abzuschreiten, unfähig stillzuhalten.
    »Vielleicht geht es ja gut«, sagte er, doch es war die Stimme eines Mannes, der versuchte, sich selbst etwas einzureden. »Sie überlegen immer noch.«
    »Überlegen was?«
    Er spürte das Achselzucken des Priesters mehr, als daß er es sah.
    »Ob sie mich leben lassen.«
    Darauf schien keine passende Antwort möglich zu sein, und sie verstummten erneut. Roger saß zusammengekauert an der erkalteten Feuerstelle, während der Priester auf- und abschritt, um sich schließlich neben ihm niederzulassen. Kommentarlos

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