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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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rückten sie beide näher zusammen und teilten ihre Wärme; es würde eine kalte Nacht werden.
    Roger war eingedöst, eins der Hirschfelle über sich gezogen, als plötzlich ein Geräusch an der Tür erscholl. Er setzte sich und blinzelte in ein Flammenmeer.
    Vier Mohawkkrieger standen in der Hütte; einer ließ eine Ladung Holz in die Feuerstelle fallen und steckte seine Fackel in den Haufen. Ohne Roger zu beachten, zogen die anderen Père Ferigault hoch und entledigten ihn grob seiner Kleider.
    Roger setzte sich automatisch in Bewegung und erhob sich halb, doch da wurde er zu Boden geschlagen. Der Priester warf ihm aus weit geöffneten Augen einen schnellen Blick zu, der ihn anflehte, sich nicht einzumischen.
    Einer der Krieger hielt seine Fackel dicht vor Père Ferigaults Gesicht. Er sagte etwas, das wie eine Frage klang, und als er keine Antwort erhielt, ließ er seine Fackel tiefer wandern, so nah am Körper des Priesters vorbei, daß dessen weiße Haut rot aufglühte.

    In Alexandres Gesicht brach der Schweiß aus, als das Feuer neben seinen Genitalien schwebte, doch sein Gesicht blieb sorgsam ausdruckslos. Der Krieger stieß den Priester plötzlich mit der Fackel an, und dieser fuhr automatisch zurück. Die Indianer lachten und wiederholten es. Diesmal war er vorbereitet; Roger roch angesengte Haare, doch der Priester bewegte sich nicht.
    Dann wurde ihnen diese Freizeitbeschäftigung langweilig, und zwei der Krieger packten den Priester bei den Armen und zerrten ihn aus der Hütte.
    Wenn sie mich holen, betet für mich. Roger setzte sich langsam auf, und an seinem ganzen Körper prickelten die Haare vor Entsetzen. Er konnte die Stimmen der Indianer hören, die sich unterhielten und in der Ferne verschwanden; kein Ton von dem Priester.
    Alexandres abgelegte Kleider waren in der Hütte verstreut; Roger hob sie auf, entstaubte sie sorgfältig und faltete sie zusammen. Seine Hände zitterten.
    Er versuchte zu beten, stellte aber fest, daß es ihm schwerfiel, sich mit der nötigen Hingabe zu konzentrieren. Zwischen und unter den Worten des Gebetes konnte er eine leise, kalte Stimme hören, die sagte: Und wenn sie mich holen - wer betet dann für mich?
     
    Sie hatten ihm ein Feuer angelassen; er versuchte zu glauben, daß dies bedeutete, daß sie nicht vorhatten, ihn sofort umzubringen. Es war ebenfalls nicht die Art der Mohawk, einem abgeurteilten Gefangenen Annehmlichkeiten zu gewähren. Nach einer Weile legte er sich unter die Hirschfelle, rollte sich auf der Seite zusammen und sah den Flammen zu, bis er einschlief, vom Schrecken erschöpft.
    Er wurde durch das Geräusch vieler Stimmen und das Schlurfen von Füßen aus seinem unruhigen Schlaf gerissen. Er wurde wach, rollte sich vom Feuer weg und hockte sich hin, während er sich verzweifelt nach einem Mittel zur Verteidigung umsah.
    Der Türvorhang hob sich, und der nackte Körper des Priesters stürzte in die Hütte. Die Geräusche auf der Außenseite entfernten sich.
    Alexandre regte sich und stöhnte. Roger kam schnell und kniete sich neben ihn. Er konnte frisches Blut riechen, einen scharfen Kupfergeruch, den er vom Zerlegen des Elches wiedererkannte.
    »Seid Ihr verletzt? Was haben sie gemacht?«
    Die Antwort darauf kam schnell. Er drehte den halb bewußtlosen Priester um und sah, daß Blut dessen Gesicht und Hals mit einem leuchtend roten Glanz überzog. Er griff nach der abgelegten Robe des
Priesters, um das Blut zu stillen, schob das verklebte, blonde Haar zurück und stellte fest, daß das rechte Ohr des Priesters fehlte. Ein scharfer Gegenstand hatte ihm genau hinter dem Kiefer ein Stück Haut von etwa acht Zentimetern Kantenlänge entfernt und das Ohr und ein Stück Kopfhaut abgeschnitten.
    Rogers Magenwände verkrampften sich, und er preßte den Stoff fest gegen die rohe Wunde. Dort hielt er ihn fest, zog den reglosen Körper zum Feuer und türmte die Überreste der Kleider und beide Hirschfelle über Père Ferigault auf.
    Der Mann stöhnte jetzt. Roger wusch ihm das Gesicht, ließ ihn ein wenig Wasser trinken.
    »Ist ja gut«, murmelte er wieder und wieder, obwohl er sich nicht sicher war, ob der andere ihn hören konnte. »Ist ja gut, sie haben Euch nicht umgebracht.« Er fragte sich allerdings unwillkürlich, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn sie es getan hätten; war dies nur als Warnung für den Priester gedacht, oder nur das Vorspiel zu größeren Torturen?
    Das Feuer war bis auf die Glut heruntergebrannt; in dem rötlichen Licht war das

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