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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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denen es unmöglich war zu reisen; an denen wir den ganzen Tag unter felsigen Überhängen oder in der Obhut einer Baumgruppe hockten, zum Schutz gegen den Wind zusammengekauert.
    Als wir das Gebirge überquert hatten, wurde die Reise etwas einfacher, obwohl die Temperaturen niedriger wurden, je weiter wir nach Norden kamen. Manchmal aßen wir kalt, weil wir in Schnee und Wind kein Feuer unterhalten konnten. Doch jede Nacht lag ich mit Jamie zusammen, in einem Kokon aus Fell und Decken aneinandergekuschelt, und wir teilten unsere Wärme.
    Ich zählte penibel die Tage, die ich mit einem verknoteten Zwirnsfaden markierte. Wir waren Anfang Januar von River Run aufgebrochen; es wurde Mitte Februar, bevor Onakara auf eine Rauchsäule in der Ferne deutete, die das Mohawkdorf anzeigte, in das er und seine Freunde Roger Wakefield gebracht hatten. »Schlangendorf«, so sagte er, wurde es genannt.
    Sechs Wochen, und Brianna war fast im siebten Monat. Wenn wir Roger schnell zurücktransportieren konnten - und wenn er reisefähig war, fügte ich grimmig in Gedanken hinzu -, dann würden wir lange vor der Geburt des Kindes zurück sein. Doch wenn Roger nicht hier war - wenn die Mohawk ihn weiterverkauft hatten… oder wenn er tot war - sagte eine leise, kalte Stimme in meinem Kopf, dann würden wir ohne Aufschub zurückkehren.

    Onakara lehnte es ab, uns in das Dorf zu begleiten, was meine Zuversicht in unsere Erfolgsaussichten nicht im geringsten stärkte. Jamie dankte ihm und verabschiedete ihn, nachdem er ihn mit einem Pferd, einem guten Messer und einer Flasche Whisky für seine Dienste entlohnt hatte.
    Wir vergruben den restlichen Whisky in einiger Entfernung, um ihn vorsichtshalber vor dem Dorf zu verbergen.
    »Werden sie verstehen, was wir wollen?« fragte ich, als wir wieder auf die Pferde stiegen. »Ist Tuscarora der Mohawksprache so ähnlich, daß wir uns mit ihnen unterhalten können?«
    »Es ist nicht ganz dasselbe, Tante Claire, aber nah dran«, sagte Ian. Es schneite ein wenig, und die schmelzenden Flocken blieben an seinen Wimpern hängen. »Vielleicht so wie der Unterschied zwischen Italienisch und Spanisch. Aber Onakara sagt, der Sachem und ein paar von den anderen können ein bißchen Englisch, auch wenn sie es meistens mit Absicht nicht benutzen. Aber die Mohawk haben auf seiten der Engländer gegen die Franzosen gekämpft; ein paar werden es verstehen.«
    »Also dann.« Jamie lächelte uns zu und legte seine Muskete quer vor sich über den Sattel. »Dann wollen wir mal unser Glück versuchen.«

54
    Gefangen I
    Februar 1770
    Seinen Berechnungen mit dem verknoteten Faden zufolge war er seit fast drei Monaten in dem Mohawkdorf. Zuerst hatte er nicht gewußt, wer sie waren; nur, daß sie einer anderen Sorte von Indianern angehörten als seine Bewacher - und daß seine Bewacher Angst vor ihnen hatten.
    Er hatte taub vor Erschöpfung dagestanden, während die Männer, die ihn hergebracht hatten, geredet und mit den Fingern auf ihn gezeigt hatten. Die neuen Indianer waren anders; sie waren gegen die Kälte in Felle und Leder gekleidet, und viele der Männer hatten Tätowierungen im Gesicht.
    Einer von ihnen stupste ihn mit der Messerspitze an und wies ihn an, sich auszuziehen. Sie zwangen ihn, sich nackt in die Mitte eines langen Holzhauses zu stellen, während mehrere Männer - und Frauen - ihn herumstießen und sich über ihn lustig machten. Sein rechter Fuß war stark geschwollen; die tiefe Wunde hatte sich entzündet. Er konnte zwar noch laufen, doch bei jedem Schritt fuhr ihm ein schmerzhafter Stich durch das ganze Bein, und er hatte immer wieder Fieberanfälle.
    Sie schubsten ihn herum und schoben ihn zur Tür des Hauses. Draußen erscholl großer Lärm. Er erkannte, daß ihm ein Spießrutenlauf bevorstand; die Wilden standen schreiend in einer Zweierreihe, bewaffnet mit Stöcken und Knüppeln. Hinter ihm stach ihm jemand eine Messerspitze in die Pobacke, und er spürte, wie ihm ein warmes Blutrinnsal am Bein hinunterlief. »Cours!« sagten sie. Lauf.
    Der Boden war flachgetreten, der Schnee hatte sich zu schmutzigem Eis verfestigt. Es verbrannte ihm die Füße, als ein Stoß in seinem Rücken ihn jetzt in das Pandämonium stolpern ließ.
    Den Großteil des Weges über blieb er aufrecht, machte einen Satz hierhin, dann einen dorthin, während ihn die Knüppel hin- und herstießen und Stöcke ihm auf Beine und Rücken hieben. Es gab keine
Möglichkeit, den Schlägen auszuweichen. Alles, was er tun konnte, war

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