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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Stockrosen. »Es war nicht das erste Mal, daß er ausgepeitscht wurde, was es um so schlimmer machte - daß er wußte, was er tat, als er es getan hat.«
    »Was… tat?« fragte sie. Langsam änderte sie ihre Position auf der Bank, doch es sah nicht so aus, als ob sie sich ihm zuwandte, sondern vielmehr so, als ob sie in ihren Kleidern dahintrieb wie eine Wolke, die im Wind die Form ändert.
    »Ich war der Befehlshaber im Gefängnis vom Ardsmuir; hat er Euch das erzählt? Nein, das habe ich mir gedacht.« Er machte eine ungeduldige Handbewegung, um sich das helle Haar zurückzustreichen, das ihm ins Gesicht peitschte.
    »Er war ein Offizier, ein Gentleman. Der einzige Offizier dort. Er war der Sprecher der gefangenen Jakobiten. Wir haben in meinem Quartier zusammen zu Abend gegessen. Wir haben Schach gespielt, uns über Bücher unterhalten. Wir… sind Freunde geworden. Und… auch wieder nicht.«
    Er verstummte.
    Sie wich vor ihm zurück, und Abscheu lag in ihrem Blick.
    »Ihr meint - Ihr habt ihn auspeitschen lassen, weil er nicht -«
    »Nein, verdammt, das habe ich nicht!« Er schnappte nach dem Taschentuch und schrubbte wütend über seine Nase. Er schleuderte es zwischen ihnen auf die Sitzbank und funkelte sie an. »Wie könnt Ihr es wagen, eine solche Vermutung zu äußern!«
    »Aber Ihr habt doch selbst gesagt, daß Ihr es getan habt!«
    » Er hat es getan.«
    »Man kann sich nicht selber auspeitschen.«
    Er setzte zu einer Antwort an und prustete dann. Immer noch wütend zog er eine Augenbraue hoch, bekam seine Gefühle jedoch wieder unter Kontrolle.
    »Was man nicht alles kann. Nach allem, was Ihr mir erzählt habt, tut Ihr genau das seit Monaten.«
    »Wir sprechen aber nicht über mich.«
    »Natürlich tun wir das!«
    »Nein, tun wir nicht!« Sie beugte sich zu ihm herüber, die dichten Brauen zusammengezogen. »Was zum Teufel meint Ihr damit, er hat es getan?«

    Der Wind blies ihm ins Gesicht. Seine Augen brannten und tränten davon, und er wandte den Blick ab.
    »Was mache ich hier eigentlich?« murmelte er vor sich hin. »Ich muß wahnsinnig sein, mit Euch eine solche Unterredung zu führen!«
    »Es ist mir egal, ob Ihr wahnsinnig seid oder nicht«, sagte sie und packte ihn beim Ärmel. »Ihr sagt mir jetzt, was geschehen ist!«
    Er preßte die Lippen fest zusammen, und für einen Augenblick dachte sie, er würde es nicht tun. Doch er hatte schon zu viel gesagt, um jetzt noch aufzuhören, und er wußte es. Seine Schultern hoben und senkten sich unter seinem Umhang und fielen zusammen, als er sich in sein Schicksal ergab.
    »Wir waren Freunde. Dann… hat er meine Gefühle für ihn entdeckt. Er beschloß, unsere Freundschaft zu beenden. Doch das reichte ihm nicht; er wünschte eine endgültige Trennung. Also führte er absichtlich eine Gelegenheit herbei, die so drastisch war, daß sie unsere Beziehung unwiderruflich verändern und jede Chance einer Freundschaft zwischen uns unterbinden mußte. Also hat er gelogen. Während einer Durchsuchung der Gefangenenquartiere behauptete er in aller Öffentlichkeit, ein Stück Tartanstoff, das man gefunden hatte, gehöre ihm. Der Besitz derartiger Dinge war damals gegen das Gesetz - in Schottland ist es immer noch so.«
    Er holte tief Luft und atmete wieder aus. Er vermied es, sie anzusehen, sondern konzentrierte seinen Blick auf den Fransenrand der kahlen Bäume am anderen Flußufer, die sich nackt vor dem blassen Frühlingshimmel abzeichneten.
    »Ich war der Gouverneur, und es war meine Aufgabe, dieses Gesetz durchzusetzen. Ich war gezwungen, ihn auspeitschen zu lassen. Und er wußte verdammt genau, daß ich das sein würde.«
    Er legte den Kopf zurück und lehnte ihn an die gemeißelte Steinlehne der Bank. Seine Augen waren zum Schutz vor dem Wind geschlossen.
    »Ich konnte ihm verzeihen, daß er mich nicht begehrte«, sagte er voll stiller Bitterkeit. »Aber ich konnte ihm nicht verzeihen, daß er mich zwang, ihn so zu mißbrauchen. Mich nicht nur zwang, ihm Schmerzen zuzufügen, sondern auch, ihn zu degradieren. Er konnte sich einfach nicht einfach nur weigern, mein Gefühl anzuerkennen; er mußte es vernichten. Es war zu viel.«
    Auf der Oberfläche der Flut kochte Treibgut an ihnen vorbei; vom Sturm geknickte Zweige und Äste, eine zerbrochene Planke von der Außenhülle eines Bootes, das irgendwo flußaufwärts Schiffbruch erlitten hatte. Sie bedeckte seine Hand, die auf seinem Knie ruhte, mit
der ihren. Sie war etwas größer als seine und warm, weil sie

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