Der Ruf Der Trommel
waren, da sie hinter einem buschigen, schwarzen Bart versteckt waren. Eine wenig passende Stupsnase ragte aus dem Gestrüpp und darüber blickten große haselnußbraune Augen sanft in die Welt.
»Na, es freut mich, das zu hören. Wäre nicht nett, so früh am Morgen schon ein Stück von meinem Bein zu verlieren.« Er schwenkte den schäbigen Schlapphut, in dessen Krempe eine zerzauste Truthahnfeder steckte, und er verbeugte sich vor mir. Schwarze Locken
fielen ihm über die Schultern. »John Quincy Myers, zu Euren Diensten, Ma’am.«
»Claire Fraser«, sagte ich und hielt ihm fasziniert die Hand hin. Er blinzelte sie einen Augenblick lang an, hob meine Finger an die Nase und schnüffelte daran, blickte dann auf und zeigte ein Lächeln, das durch die Tatsache, daß ihm die Hälfte seiner Zähne fehlte, kaum an Charme einbüßte.
»Oh, da werdet Ihr wohl ein Kräuterweiblein sein, was?«
»Meint Ihr?«
Er drehte meine Hand sanft um und zeichnete die Chlorophyllspuren um meine Fingernägel nach.
»Eine Dame mit grünen Fingern hat vielleicht nur ihre Rosen geschnitten, aber eine Dame, deren Hände nach Sassafraswurzeln und Chinarinde riechen, weiß sicher nicht nur, wie man Blumen zum Blühen bringt. Meinst du nicht auch?« fragte er, freundlich an Ian gewandt, der Mr. Myers mit unverhohlenem Interesse betrachtete.
»Oh, aye«, versicherte Ian ihm. »Tante Claire ist eine berühmte Heilerin. Eine weise Frau.« Er sah mich stolz an.
»Wirklich, mein Junge?« Mr. Myers’ Augen weiteten sich interessiert und richteten sich wieder auf mich. »Da soll mich doch der Teufel holen. Und ich hab’ schon gedacht, ich müßte warten, bis ich in die Berge komme und mir einen Schamanen dafür suchen kann.«
»Seid Ihr krank, Mr. Myers?« fragte ich. Er machte nicht den Eindruck, doch wegen seiner Haare und des Bartes war es schwer zu beurteilen, außerdem schien eine dünne Schicht schmutzigbraunen Staubes sämtliche Körperteile zu bedecken, die nicht unter seinen zerlumpten Lederhosen verschwanden. Die Stirn war die einzige Ausnahme. Normalerweise schützte sie der schwarze Filzhut vor der Sonne, doch jetzt war sie unseren Blicken ausgesetzt, eine reinweiße Fläche.
»Nicht direkt krank, glaub’ ich«, antwortete er. Er stand plötzlich auf und begann, sein Wildlederhemd hochzuschieben. »Es ist jedenfalls kein Tripper und auch nicht die Franzosenkrankheit; die habe ich schon mal gesehen.« Was ich für Hosen gehalten hatte, waren in Wirklichkeit lange Wildlederleggings, ergänzt durch einen Lendenschurz. Beim Weiterreden ergriff Mr. Myers das Lederband, welches das letztgenannte Bekleidungsstück in Position hielt, und kämpfte mit dem Knoten.
»Ist auch so ärgerlich genug; da war ganz plötzlich diese Riesenbeule hinter meinen Eiern. Ziemlich lästig, wie Ihr Euch vorstellen könnt, obwohl ich nicht sagen könnte, daß es weh tut, außer beim
Reiten. Ob Ihr wohl einen Blick darauf werfen wollt und mir sagt, was ich am besten dagegen tue, hm?«
»Äh…«, sagte ich und warf Fergus einen verzweifelten Blick zu, doch der Mistkerl verlagerte nur seinen Bohnensack und machte eine belustigtes Gesicht.
»Habe ich das Vergnügen, die Bekanntschaft von Mr. John Myers zu machen?« fragte eine höfliche schottische Stimme über meine Schulter hinweg.
Mr. Myers hörte auf, an seinem Lendenschurz herumzufummeln und blickte fragend auf.
»Kann nicht sagen, ob es ein Vergnügen für Euch wird, Sir«, antwortete er zuvorkommend. »Aber wenn Ihr Myers sucht, habt Ihr ihn gefunden.«
Jamie trat näher und schob sich taktvoll zwischen mich und Mr. Myers’ Lendenschurz. Er verbeugte sich förmlich, den Hut unterm Arm.
»James Fraser, zu Euren Diensten, Sir. Man hat mir gesagt, ich sollte Euch gegenüber den Namen Hector Cameron erwähnen.«
Mr. Myers betrachtete Jamies rotes Haar mit Interesse.
»Schotte, ja? Seid Ihr einer von diesen Highlandern?«
»Ich bin Schotte, aye, und Highlander.«
»Seid Ihr mit dem alten Hector Cameron verwandt?«
»Er ist ein angeheirateter Onkel, Sir, aber ich bin ihm noch nie begegnet. Ich habe gehört, daß Ihr gut mit ihm bekannt seid und uns vielleicht zu seiner Plantage führen könnt.«
Die beiden Männer taxierten einander unverhüllt, musterten einander während des Gespräches von Kopf bis Fuß und begutachteten dabei Haltung, Kleidung und Bewaffnung ihres Gegenübers. Jamies Augen ruhten zustimmend auf dem langen Messer, das in einer Scheide am Gürtel des Waldläufers hing,
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