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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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den Kopf hob, über seine Schulter linste und versuchte zu sehen, was ich tat. »Was machst du?«
    »Ich stecke Maden in die Wunden«, sagte ich, auf meine Arbeit konzentriert. »Das habe ich von einer alten Indianerin gelernt, die ich einmal gekannt habe.«
    Am Kopfende erklangen Doppellaute des Schocks und der Übelkeit, doch ich behielt seinen Fuß fest im Griff und fuhr fort.
    »Es funktioniert«, sagte ich und runzelte leicht die Stirn, während ich den nächsten Einschnitt öffnete und drei der zappelnden, weißen Larven darin deponierte. »Viel besser als die üblichen Methoden des Débridements ; dazu müßte ich deinen Fuß viel extensiver öffnen und von Hand so viel totes Gewebe herauskratzen, wie ich erreichen könnte - was nicht nur teuflisch wehtun, sondern dich sehr wahrscheinlich auch dauerhaft verkrüppeln würde. Aber unsere kleinen Freunde hier fressen abgestorbenes Gewebe; sie kommen an die kleinsten Lücken, die ich niemals erreichen könnte, und machen ihre Arbeit schön gründlich.«
    »Unsere Freunde, die Maden«, brummte Brianna. »Also, Mama!«
    »Und was genau wird sie davon abhalten, mein ganzes Bein zu fressen?« fragte Roger, dessen Bemühen um Gelassenheit durch und durch mißlang. »Sie… äh… sie breiten sich doch aus , oder?«
    »Oh, nein«, versicherte ich ihm gutgelaunt. »Maden sind Larven; sie vermehren sich nicht. Sie fressen auch kein lebendes Gewebe - nur das eklige, abgestorbene Zeug. Wenn es genug davon gibt, um sie bis zum Verpuppungsstadium zu ernähren, dann entwickeln sie sich zu winzigen Fliegen und fliegen weg - wenn nicht, wenn ihre Nahrung erschöpft ist, dann kriechen sie einfach heraus und suchen sich etwas Neues.«
    Ihre beiden Gesichter waren jetzt hellgrün. Da ich mit der Arbeit fertig war, umwickelte ich den Fuß mit losen Gazebandagen und klopfte Roger auf das Bein.

    »Na bitte«, sagte ich. »Keine Sorge, ich sehe das nicht zum ersten Mal. Ein Krieger hat mir erzählt, daß es ein bißchen kitzelt, wenn sie an dir knabbern, daß es aber überhaupt nicht wehtut.«
    Ich hob die Untertasse auf und trug sie hinaus, um sie zu spülen. Als ich aus dem Eingang bog, traf ich Jamie, der von unserem neuen Haus herunterkam und Ruaidh auf dem Arm hatte.
    »Da ist Oma«, informierte er das Baby, nahm seinen Daumen aus Ruaidhs Mund und wischte sich den Speichel an der Seite seines Kilts ab. »Ist sie nicht großartig?«
    »Gleh«, sagte Ruaidh, während er leicht schielend auf den Hemdknopf seines Großvaters blickte und nachdenklich darauf herumzukauen begann.
    »Paß auf, daß er den nicht verschluckt«, sagte ich, stellte mich auf die Zehenspitzen und küßte zuerst Jamie, dann das Baby. »Wo ist Lizzie?«
    »Sie hat auf einem Baumstumpf gesessen und geschluchzt, als ich sie gefunden habe«, sagte er. »Also habe ich ihr den Jungen abgenommen und sie fortgeschickt, damit sie ein bißchen allein sein kann.«
    »Sie hat geweint? Was war denn los?«
    Ein kleiner Schatten wanderte über Jamies Gesicht.
    »Ich nehme an, sie trauert um Ian, oder?« Er vergaß ihre und seine Trauer, ergriff meinen Arm und wandte sich wieder dem Pfad zu, der bergauf führte.
    »Komm mit mir nach oben, Sassenach, und sieh dir an, was ich heute geschafft habe. Ich habe den Fußboden für dein Sprechzimmer gelegt; jetzt braucht es nur noch ein provisorisches Dach, und man kann darin schlafen.« Er sah sich nach dem Blockhaus um. »Ich habe mir gedacht, daß wir MacKenzie da unterbringen könnten - fürs erste.«
    »Gute Idee.« Selbst mit dem zusätzlichen, kleinen Zimmer, das er für Brianna und Lizzie an das Blockhaus angebaut hatte, wohnten wir dort mehr als beengt. Und wenn Roger mehrere Tage ans Bett gefesselt war, dann war es mir ganz recht, wenn er nicht mitten im Haus lag.
    »Wie geht es ihnen?« fragte er mit gestellter Beiläufigkeit.
    »Wem? Meinst du Brianna und Roger?«
    »Wen denn sonst?« fragte er, diesmal ohne Beiläufigkeit. »Vertragen sie sich?«
    »Oh, ich glaube schon. Sie gewöhnen sich gerade wieder aneinander.«

    »Ach ja?«
    »Ja«, sagte ich und blickte hinter mich auf das Blockhaus. »Er hat sich soeben in ihren Schoß übergeben.«

67
    Zwei Seiten einer Medaille
    Roger wälzte sich auf die Seite und setzte sich hin. Es war noch kein Glas in den Fenstern - das war auch nicht nötig, solange das Sommerwetter schön blieb -, und das Sprechzimmer befand sich an der Vorderseite des neuen Hauses, dem Abhang zugewandt. Wenn er den Hals zur Seite reckte, konnte er

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