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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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Gunter, Sohn des Aldrian von der Sippe der Niflungen, vermische mein Blut mit dem Sigfrids.« Er streckte den Arm vor und ließ sein Blut in die Erde tropfen. Anschließend gab er den Dolch an Sigfrid weiter.
    Der verhielt einen Augenblick unschlüssig und hob dann seinen Arm über den Kopf, um sich zwischen den Schulterblättern zu ritzen, an der einzigen Stelle, an der er verwundbar war. Mit der Hand wischte er über die Wunde und ließ das Blut von seinen Fingern rinnen. »Ich, Sigfrid, Sohn des Sigmund von der Sippe der Tarlungen, vermische mein Blut mit dem Gunters.« Er kniete nieder und rührte beider Blut mit dem Dolch in den Leib der Erde. »Gunter ist von meinem Blut«, sagte er. »Ich schwöre, ihn zu rächen wie einen Sippenbruder, wenn seiner Ehre Schmach angetan wird.«
    Der Niflunge übernahm den Dolch. »Auch ich schwöre, Sigfrid zu rächen wie einen Bruder, sollte seiner Ehre Schmach angetan werden.« Mit der Spitze des Dolches zeichnete er wunjō , die Sippenrune, in den Boden. »Ich gebe dir meinen Frieden und den Frieden meiner Sippe«, erklärte er und griff nach seinem Schwert, denn Friede war etwas Aktives, Friede bedeutete gegenseitigen Schutz und Verteidigung. »Ich schwöre es im Namen von Wodan, dem Gott der Kampfekstase, und im Namen von Tiwaz, dem Gott des Krieges.«
    »Friede sei zwischen uns und unseren Sippen«, bestätigte Sigfrid. »Ich schwöre es im Namen von Wodan, dem Gott der Kampfekstase, und im Namen von Tiwaz, dem Gott des Krieges.«
    Die Männer erhoben sich. »Wer es wagt, die heiligen Eide zu brechen, der sei wölfisch und friedlos, von den Göttern verflucht«, sagte Gunter.
    Er und Sigfrid umarmten sich. Dann kletterten sie aus der Grube und traten unter dem Rasenstreifen aus der Erde ins Leben zurück. Die Krieger jubelten und schlugen mit den Schwertern auf ihre Schilde. Zwei neue Menschen waren geboren, Brüder einer Sippe. Das Heil des einen lag jetzt im Heil des anderen.
3
    Gutmütig verscheuchte Gunter seine Gefolgsleute aus dem Brautgemach. Ihre schlüpfrigen Bemerkungen waren Brauch, und im Grunde hatte er gar nichts dagegen. Das Glück machte ihn trunken. Mit leuchtenden Augen betrachtete er die Rückenlinie seiner Braut. Sie würde an seiner Seite sein, für den Rest seines Lebens! Er sehnte sich danach, ihr das Brautgewand auszuziehen und das Geheimnis ihres Körpers und der Macht, die sie über ihn hatte, zu ergründen. Es war nicht Lust, die ihm diesen Wunsch eingab, seine Bewunderung war ein reines Gebet an ihre Schönheit. Er verspürte den Wunsch, einen Lindwurm zu erschlagen oder eine feindliche Streitmacht zu besiegen, nur für sie. War es das, was andere Männer ihm voraus hatten? Das simple Bewusstsein, welche Kräfte in ihnen schlummerten, Kräfte, die nur die Liebe in einem Mann zu wecken vermochte?
    Das Verlassen ihrer Heimat, das Brautlauffest   – all das kam Brünhild wie ein Trugbild vor. Dazu die luxuriöse Ausstattung des Raumes, das Holzbett mit den kunstvoll gedrechselten Pfosten, leinene Laken, Daunenkissen   – absurd! Daheim hatte sie sich mit einem strohgestopften Bettsack begnügt. Sie machte eine unwillkürliche Handbewegung, als könne sie die vergangenen Nächte wie lästige Spinnweben fortwischen. Bis vor kurzem hatte sie noch in einer vertrauten Welt gelebt, deren Regeln sie kannte. Deren Regeln sie bestimmte. Von einem Tag zum anderen war sie aus der tröstlichen Geborgenheit von Svawenland gerissen und in dieses fremde Land mit seinen fremden Sitten geworfen worden. Und jetzt sah dieser fremde Mann sie an mit einer Intimität, die sie niemandem außer Sigfrid gestatten wollte. Langsam erwachte Brünhild aus ihrer Betäubung. Sie war mit einem anderen verheiratet! Dieser Mann da war ihr Gemahl, nicht Sigfrid! Die plötzliche Erkenntnis traf sie wie ein Schock. Unwillkürlich begann sie, am ganzen Körper zu zittern.
    Gunter bemerkte es und bemühte sich mit einem Lächeln, ihr die Angst zu nehmen. Zärtlich streichelte er ihre Wange und nahm einen Geruch nach Kiefernharz an ihr wahr. »Du bist schön«, sagte er leise, als fürchte er, ein lautes Wort könne den Traum, den er träumte, zerplatzen lassen. Mit zwei Fingern fuhr er die Form ihrer Wangenknochen, ihrer Nase, ihrer Lippen nach. »Ich werde sanft mit dir umgehen.«
    Sie schloss die Augen. So wie er würde Sigfrid jetzt diese andere Frau ansehen, ihren Leib berühren, sie mit seinem unvergleichlichen Lächeln anlächeln, das er einst ihr schenkte. Der Schmerz

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