Der Ruf Der Walkueren
bin dein Gemahl, und jede Schwächung meiner Position wird auch auf dich zurückfallen«, sagte er.
»Das ist mir gleichgültig.«
»Du kannst nicht ewig mit deinem Dolch daliegen und mich von dir fernhalten. Du hast der Ehe zugestimmt und bist damit Verpflichtungen eingegangen. Meine Sippe wird auf der Zeugung eines Erben bestehen.«
In der Falle! Der Ring an ihrem Arm wurde heiß. »Es ist mir gleich, was deine Sippe oder sonst jemand will, ich werde dir niemals gehören!« Was konnte sie sagen, um ihn auf Abstand zu halten? Es war unmöglich, ihn Nacht für Nacht mit dem Dolch zu bedrohen. »Ich liebe dich nicht.« Hoffentlich hasste er sie dafür! »Ich verabscheue dich.«
»Wenn ich dir so zuwider bin – weshalb hast du eingewilligt, mein Weib zu werden?«
Das war natürlich die Kernfrage. Die Brünhild selbst nicht beantworten konnte. Hilflos suchte sie nach einer Erklärung, aber ihr fielen nur Ausflüchte ein. »Was immer der Grund war, ich werde dir niemals gehören!«, beharrte sie.
So kamen sie nicht weiter. Je mehr er sich anstrengte, einen Ausweg zu finden, desto mehr drehten sie sich im Kreis. Und er war ihr dadurch ausgeliefert und in jedem Fall der Verlierer. »Was willst du, frouwa ?« Darauf wenigstens musste er doch eine Antwort bekommen, die sie irgendwie weiterbrachte.
Gefangen! Der Ring brannte an ihrem Arm. In die Enge getrieben! »Ich will einfach nur, dass du mich in Ruhe lässt. Was ist daran nicht zu verstehen?«
»Du hast mich benutzt, um Schutz für dein Land zu erhalten.« Das war die einzig mögliche Schlussfolgerung. »Nicht nur mich hast du benutzt, auch mein Land und meine Sippe.«
Wie konnte er sie für derart berechnend halten? Aber – ja, wenn sie seine Verdächtigung schürte … es war eine Möglichkeit! Alles war besser als … »Und wenn schon! Was kümmert mich dein Land? Was kümmert mich deine Sippe? Sie sind mir ebenso gleichgültig wie du. Nein, mehr als das: Ich verabscheue sie, wie ich dich verabscheue! Allein deine Nähe verursacht mir Übelkeit!«
Er fegte das Fell beiseite, und für einen Augenblick glaubte sie, jetzt endlich würde er sie töten. Sie hätte sein Schwert mit Freuden willkommen geheißen.
Er verwandelte den Wunsch, sie zu schlagen in einen erbitterten Fausthieb gegen das Bettgestell. »Du selbstsüchtiges Miststück! Es geht nicht bloß um dich! Wir haben Pflichten! Es ist wahr, ich liebe meine Stellung nicht. Aber ich bin von den Nornen an diesen Platz gestellt worden, und ich werde ihn ausfüllen, so gut ich vermag. Du magst sagen, dass das nicht viel ist, und ich werde der Erste sein, der dir darin recht gibt. Doch solange ich König der Niflungen bin, werde ich nicht dulden, dass jemand meine Ehre und die meiner Sippe mit Schande bedeckt. Nicht einmal meine Frau.«
Brünhild war erschrocken. Bis zu diesem Augenblick hatte sie sich nicht einmal vorstellen können, dass Gunter zu einem solchen Wutausbruch fähig war. Es übte eine seltsame Faszination auf sie aus. In seinem Zorn schien er ihr mehr Mann zu sein als vorher. Sie konnte dem Drang, ihn herauszufordern, nicht widerstehen. »Glaubst du, irgendjemand könnte mich daran hindern, zu tun, was ich für richtig halte?«, höhnte sie. »Das schafft niemand, am allerwenigsten du.«
Er packte ihr Handgelenk so hart, dass sie aufschrie, und riss sie hoch, ohne sich um ihren Dolch zu kümmern, bis er in der Dunkelheit ihre Augen erkennen konnte. »Du wirst niemals wieder abfällig über mich, meine Sippe oder Niflungenland sprechen, hörst du? Du darfst denken, was du willst, du kannst mich hassen und verabscheuen, aber du wirst dich wie eine Königin betragen!«
Der Ausdruck seiner Stimme brachte sie soweit zur Vernunft, dass sie nickte.
Er fühlte ihr Einlenken mehr, als dass er es sah. Langsam ließ er sie los und sank in die Kissen zurück. »Es wird nicht nötig sein, deinen Dolch noch einmal zu benutzen«, sagte er. »Lieber würde ich mich mit einem Hund paaren, als mit einem boshaften Weib wie dir.« Und doch war das nur die halbe Wahrheit. Selbst jetzt noch sehnte er sich nach ihr. Angesichts der Verachtung, die sie ihm entgegenbrachte, der blanke Irrsinn. Trotzdem. Sie war alles, was er in seinem Leben wollte. Sie an seiner Seite zu wissen, kalt wie eine Walküre, das war mehr, als er ertragen konnte. Warum nur? Warum? Gewiss, seine Ausstrahlung, verglichen etwa mit der von Hagen, Sigfrid oder seinem Vater, war gering. Aber er war kein schlechter Mann. Er besaß
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