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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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lange Blutspur.
    Das Lachen des Jungen löschte jeden Rest Verstand aus. Töte! Töte! Die Verletzungen und das Blut, das ihm in die Augen tropfte, machten den Schmied rasend. Wie ein Stier griff er an und landete einen Zufallstreffer auf Sigfrids Hüfte. Der Schlag ließ den Tarlungen in die Knie gehen und raubte ihm fast die Besinnung. Instinktiv wälzte er sich zur Seite und entging nur knapp einem weiteren Hieb. Mit zusammengebissenen Zähnen kam er wieder auf die Beine, während er pfeifend nach Luft rang. Sein von Wut geführter Schlag schlitzte Mime das linke Bein auf. »Du hattest recht, es ist ein gutes Schwert, auch wenn es das falsche ist«, keuchte er und stieß erneut zu. Schmatzend bahnte sich die Klinge ihren Weg durch das Fleisch des Schmiedes und verletzte dessen rechte Hand. Der Eisenstab fiel zu Boden, doch im Blutrausch schlug der Junge weiter auf seinen Gegner ein, bis ihm zu Bewusstsein kam, dass sein Opfer sich nicht mehr rührte. Da erst hielt er erschrocken inne.
    Während er sein Leben aushauchte, wurde Mimes Blick klar. In plötzlichem Begreifen tastete er nach dem Armring. »Ich dachte   …«, begann er, doch Sigfrid erfuhr nie, was der Schmied gedacht hatte. Die Seele verließ ihn zugleich mit dem letzten Wort.
    Sigfrid war entsetzt, als er den blutbesudelten Haufen Fleisch, der einmal ein Meisterschmied gewesen war, auf dem Boden liegen sah. Er empfand keine Reue, er hatte nur getan, was jeder freie Mann getan hätte: sich und seine Ehre verteidigt. Aber es war nicht seine Absicht gewesen, Mime das Leben zu nehmen. Noch nie zuvor hatte er einen Menschen getötet. Mühsam unterdrückte Sigfrid das revoltierende Gefühl in seinem Magen und wandte sich von dem Leichnam ab.
    Das Schwert fiel ihm wieder ein. Fieberhaft durchsuchte er die Hütte, doch es blieb verschwunden. Finster starrte er den Toten an. Dabei fiel sein Blick auf den Armring. Er bückte sich, zog ihn dem Schmied ab und streifte ihn über sein eigenes Handgelenk. Dies war der Lohn für seine Lehrzeit. Und immerhin hatte er Balmung.
    Sigfrid ritt fort, ohne sich noch einmal nach der Hütte umzudrehen.
     
    Kurz vor Einbruch der Dämmerung kamen die Schwarzalben zurück. Stumm umstanden sie den Leichnam. Niemand sagte ein Wort. Es war nicht nötig, alle sahen das Entscheidende: Der Ring war fort. Beinahe gleichzeitig griffen sie nach ihren Messern, ritzten sich zwei parallele blutige Streifen unterhalb ihrer Augen, der Form des Jochbeins folgend, und bezeugten dem Toten damit ihre Achtung. Er war ein Feind gewesen, aber auch ein gesīp des Eisens und ein großer Schmied. Dann kniete Andvari nieder und untersuchte den erkalteten Körper.
    »Du hattest ihn gewarnt«, sagte Dólgthrasir. »Er war ein Dummkopf, nicht auf deinen Rat zu hören. Er hat uns misstraut, als wären wir Menschen, die ihr Wort nicht halten.«
    Andvari ließ den Kopf hängen. »Ich hätte ihm den Ring nicht geben dürfen.«
    »Wir brauchten das Schwert. Die Zukunft unserer Sippe hängt davon ab.«
    »Wir müssen Alberich berichten, dass der Unglücksring auf Erden wandert«, mischte sich der dritte Albe ein.
    Mutlos nickte Andvari. Es fiel ihm schwer, sich von dem Ort der Tragödie zu lösen, als könne er die Fäden der Nornen neu knüpfen, indem er hierblieb. »Er hätte zwei Beutel Drachenaugen haben können. Stattdessen wählte er den Tod.«
    »Er war dem Gesang der Gier verfallen.«
    Dólgthrasir nickte. »Sein Leben lang hat er erdmegin gerufen, ohne es wirklich zu verstehen. Die Energie der Erde ist stark und mächtig, aber schwer und finster. Es braucht einen Mann von starker Seele, um ihrer dunklen Seite zu widerstehen.«
    Andvari nickte sorgenvoll. »Wir können nur hoffen, dass Andvaranauts jetziger Besitzer ein solcher Mann ist.«

Albenränke
1
    Das feuchte Torfmoor der Heidelandschaft erstreckte sich in alle Himmelsrichtungen. Seit Sigfrid gestern Mimes Hütte verlassen hatte, war die Gegend immer trostloser geworden. Hier und da unterbrach eine einsame Kiefer die Eintönigkeit, ansonsten dominierten Sumpflilien, Wollgras und Stechginster. Der Boden hatte sich mit Wasser vollgesogen, sodass der Weg, wenn man überhaupt von einem solchen sprechen konnte, morastig und voll Pfützen war. Planlos ritt Sigfrid über das Land. Wohin sollte er sich wenden? Auf keinen Fall würde er zu seiner Sippe zurückkehren, ohne eine Heldentat vollbracht zu haben. Er wollte, dass die Lieder seiner Taten vor ihm daheim waren.
    Über den feuchten Niederungen

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