Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
Sie seine Gefühle für seine Verlobte.«
»Keineswegs. Aber Gefühle machen einen Mann nachlässig. Es wäre doch schade, wenn etwas mit dem Boot passiert, während er und sein betrunkener Onkel sich an Bord aufhalten. Vielleicht ein Feuer, eine tragische, tödliche Explosion … Für eine weitere Viertelmillion fällt Ihnen sicher etwas Passendes ein.«
»Ich bin für meinen Einfallsreichtum bekannt. Die ersten zweihundertfünfzig will ich heute Nachmittag, vorher werde ich nichts unternehmen.«
»In Ordnung. Wenn ich sehe, dass die Mermaid in die Luft fliegt, veranlasse ich die zweite Zahlung. Heute Nacht, La Rue, um Mitternacht. Danach bringen Sie mir das Amulett.«
»Zuerst überweisen Sie das Geld.«
Die Stunden vergingen. Tate widerstand dem Bedürfnis, mit den Fäusten gegen die Tür zu trommeln oder um Hilfe zu rufen. Ein riesiges Fenster bot ihr einen spektakulären Blick auf das Meer und die untergehende Sonne. Der Stuhl, den sie gegen die Scheibe geschleudert hatte, war abgeprallt, ohne einen Kratzer zu hinterlassen.
Sie schob und zerrte am Rahmen, bis ihre ohnehin schmerzenden Arme vor Müdigkeit erschlafften, aber das Fenster saß fest – genau wie sie.
Sie tigerte auf und ab, fluchte, schmiedete Rachepläne und lauschte verzweifelt auf jedes Geräusch und jeden Schritt.
Aber Matthew kam nicht.
Im Märchen retten die Helden die hilflose Prinzessin aus der Not, erinnerte sie sich, aber sie wollte verdammt noch mal keine hilflose Prinzessin sein. Sie würde sich selbst befreien – irgendwie.
Fast eine Stunde lang suchte sie jeden Zentimeter der Kabine ab. Sie war großzügig angelegt, elegant ausgestattet und in kühlen Pastelltönen gehalten. Die Zimmerdecke war mit blassgoldenem Holz getäfelt. Tates Füße versanken in dem weißen Teppich, ihre Finger glitten über die malvenfarben lackierten Wände und die meergrün gestrichenen Zierleisten.
Im Schrank fand sie ein langes Seidennegligé mit buntem Rosenmuster sowie ein dazu passendes Nachthemd. Außerdem eine Leinenjacke, eine glitzernde Stola, einen schwarzen Abendmantel gegen die kühle Nachtluft, ein schlichtes schwarzes Cocktailkleid und eine Sammlung lässiger Bordkleidung.
Tate schob die Kleider beiseite und untersuchte die Schrankwand. Sie war so solide gebaut wie der Rest der Kabine.
An der Ausstattung hat er nicht gespart, dachte sie grimmig. Auf dem riesigen Bett lagen weiche Satinkissen, in der Sitzecke auf dem gläsernen Kaffeetischchen entdeckte sie Hochglanzmagazine, und in dem Schränkchen unter Fernseher und Videogerät fand sie eine Auswahl aktueller Filme. Ein kleiner Kühlschrank enthielt alkoholfreie Getränke, Wein und Champagner, teure Pralinés und Häppchen.
Im Badezimmer war ein riesiger, ebenfalls malvenfarbener Whirlpool in den Boden eingelassen, es gab ein muschelförmiges Waschbecken und um einen großen Spiegel verteilte Messingleuchten. Auf den blassgrünen Ablagen standen diverse teure Cremes, Lotionen und Badeöle.
Tates Suche nach einer geeigneten Waffe brachte nur ein ledernes Reisenecessaire mit dem entsprechenden Inhalt zutage.
Es gab Badelaken, Luffaschwämme, einen Frotteebademantel und kleine Seifenstücke, die wie Seesterne, Muscheln und Seepferdchen geformt waren.
Aber die Handtuchstange aus Messing, die sie bereits als geeigneten Schläger angesehen hatte, war fest in der Wand verschraubt.
Verzweifelt rannte sie in die Kabine zurück. In dem eleganten kleinen Schreibtisch fand sie dickes, cremefarbenes Briefpapier, Umschläge und sogar Briefmarken. Der perfekte Gastgeber, dachte sie wütend, dann schlossen sich ihre Finger um einen schmalen Goldfüller.
Wie viel Schaden konnte solch ein Designerstift wohl anrichten? Direkt ins Auge – der Gedanke ließ sie schaudern, aber sie steckte den Füller für alle Fälle in die Hosentasche.
Dann sank sie in einen Sessel. Das Wasser war nah, so nah, dass ihr die Tränen kamen.
Aber wo war Matthew?
Sie wollte ihn warnen. LaRue, dieses Schwein! Jede Vorsichtsmaßnahme, die sie innerhalb der letzten Monate getroffen hatten, war umsonst gewesen. LaRue hatte all ihre Bewegungen, Pläne und Triumphe an VanDyke verraten.
Er hatte mit ihnen gemeinsam gegessen, gearbeitet, gelacht. Er hatte Anekdoten aus seiner gemeinsamen Zeit auf See mit Matthew erzählt, und in seiner Stimme hatte freundschaftliche Zuneigung mitgeklungen.
Dabei war er die ganze Zeit über ein Verräter gewesen.
Jetzt würde er das Amulett stehlen. Matthew war wahrscheinlich
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