Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
Tages zum großen Showdown kommen würde.«
Ein angenehmer Schauer durchlief seinen Körper wie Wein, eisig und köstlich zugleich. Oh, er hoffte, dass sie
gelitten und verstanden hatten, wenn auch nur für einen Moment. Wenn er doch nur Gewissheit hätte!
Tate sank auf die Knie. »Meine Eltern!«
»Nun, ich glaube nicht, dass ihnen etwas zugestoßen ist. Es sei denn, sie waren zufällig an Bord. Ich habe keinerlei Grund, ihnen etwas Schlechtes zu wünschen. Sie sind ein wenig blass, Tate. Ich hole Ihnen den Cognac.«
Mit einer Hand umklammerte sie die Reling und richtete sich zitternd auf. »Angelique hat ihre Kerkermeister verflucht«, brach es aus ihr heraus. »Sie verfluchte die, die sie bestohlen hatten, die sie verfolgten und ihr ungeborenes Kind töteten.«
Tate bemühte sich, trotz ihres unregelmäßigen Atems weiterzusprechen, und beobachtete seine Augen, die nun im Kerzenlicht glänzten. »Sie hätte Sie auch verflucht, VanDyke. Wenn es Gerechtigkeit für sie gibt und das Amulett noch Macht hat, wird es Sie zerstören.«
In seinem Herzen spürte er Furcht und eine tödliche Faszination. Vor dem Flackern des fernen Feuers verdunkelten Trauer und Schmerz Tates Augen, und sie wirkte auf einmal mächtig und stark.
So muss Angelique ausgesehen haben, dachte er und hob den Cognac an seine plötzlich eiskalten Lippen. Er musterte Tate beinahe träumerisch. »Ich könnte Sie töten.«
Tate lachte schluchzend auf. »Glauben Sie, dass ich mich davor fürchte? Sie haben den Mann, den ich liebe, ermordet, unser gemeinsames Leben zerstört, die Kinder, die wir uns wünschten… Nichts, was Sie mir antun können, ist jetzt noch von Bedeutung.«
Sie trat einen Schritt auf ihn zu. »Sehen Sie, jetzt weiß ich, wie sie sich fühlte, als sie in ihrer Zelle hockte und auf den Morgen wartete. Im Grunde war es gar nicht so schlimm, denn ihr Leben hatte nach Etiennes Tod ohnehin seinen Sinn verloren. Es ist mir egal, ob Sie mich töten. Ich werde Sie noch im Tod verfluchen.«
»Sie sollten jetzt in Ihre Kabine zurückkehren.« VanDyke hob seine verkrampften Finger, und der Steward trat aus dem Schatten. Seine Wange war sauber verarztet. »Bringen Sie die Dame zurück und schließen Sie sie ein.«
»Sie werden langsam sterben!«, rief Tate, als sie weggeführt wurde. »Langsam genug, um einen Vorgeschmack auf die Hölle zu bekommen.«
Sie stolperte in ihre Kabine und brach weinend auf dem Bett zusammen. Als später die Tränen getrocknet waren und ihr Herz sich taub anfühlte, setzte sie sich in einen Sessel, starrte auf die See und sehnte sich nach dem Tod.
Achtes Kapitel
S ie schlief unruhig und hatte Alpträume.
Die Zelle stank nach Krankheit und Angstschweiß. Das Morgenlicht drang schwach durch das vergitterte Fenster, ein Vorbote des Todes. Das Amulett lag kalt in ihren steifen Fingern.
Als man sie holen kam, erhob sie sich würdevoll. Sie wollte die Erinnerung an ihren Ehemann nicht mit feigen Tränen und Bitten um Gnade, die man ihr doch nicht gewähren würde, beschmutzen.
Natürlich war auch der Graf gekommen, der Mann, der sie wegen ihrer Liebe zu seinem Sohn verdammt hatte. Habgier, Lust, die Freude am Töten glitzerten in seinen Augen. Er riss das Amulett über ihren Kopf und hängte es sich selbst um den Hals.
Und sie lächelte, weil sie wusste, dass er damit sein Todesurteil besiegelt hatte.
Auf dem Scheiterhaufen wurde sie gefesselt. Zu ihren Füßen hatte sich eine Menschenmenge versammelt, die sich das Verbrennen der Hexe nicht entgehen lassen wollte. Neugierige Blicke beobachteten sie, gehässige Worte fielen. Kinder wurden hochgehoben, damit sie besser sehen konnten.
Man gab ihr Gelegenheit abzuschwören, um Gottes Gnade zu beten. Aber sie schwieg standhaft. Selbst als die Flammen unter ihr prasselten und Hitze und betäubender Rauch sie einhüllten, drang kein Wort über ihre Lippen. Und sie dachte nur eins.
Etienne.
Aus dem Feuer ins Wasser, so kühl, blau und lindernd. Sie
war wieder frei und schwamm in einem Schwarm goldener Fische. Sie fühlte sich so glücklich, dass sie im Schlaf weinte und Tränen ihre Wangen hinunterliefen. Sicher und frei, und ihr Geliebter erwartete sie.
Sie sah zu, wie er mühelos durch das Wasser auf sie zuschwamm, und ihr Herz lief über vor Glück. Sie lachte, streckte die Hand nach ihm aus, vermochte jedoch die Entfernung nicht zu überwinden.
Sie durchbrachen die Wasseroberfläche nur wenige Zentimeter voneinander entfernt und atmeten die süß duftende
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