Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
lang hielt er inne und wählte eine perfekt geformte, glänzende Traube.
»Nachdem ich mich ein wenig über Matthews Schiffskameraden informiert hatte, erschien mir LaRue als der vielversprechendste Kandidat. Er ist ein Mann, der Geld und die vergänglichen Freuden, die man sich damit kaufen kann, genießt. Bisher hat er sich als eine gute, wenn auch gelegentlich etwas kostspielige Investition erwiesen.«
Mit halb geschlossenen Augen schwenkte er sein Cognacglas.
»An Bord heftete er sich an Matthews Fersen und freundete sich mit ihm an. Durch LaRues Berichte erfuhr ich, dass Matthew immer noch mit Ihren Eltern in Verbindung stand und den Gedanken an den Fluch der Angelique nie ganz aufgegeben hatte. Natürlich wusste er damals schon, wo er sich befand, wollte es LaRue aber nicht verraten. Selbst Freundschaft kennt ihre Grenzen. Er prahlte damit, war aber immer zu vorsichtig, um die ganze Geschichte zu erzählen.«
VanDyke nahm eine zweite Weintraube aus der Schale.
»Ich bewundere Matthew für seine Umsicht und seine Geduld. Ich hätte ihm wirklich nicht zugetraut, dass er dieses Geheimnis all die Jahre für sich behält und sich abrackert, wo er doch längst wie ein Prinz hätte leben können. Als er die Zusammenarbeit mit Ihren Eltern und Ihnen wieder aufnahm, beging er jedoch einen Fehler. Frauen sind häufig dafür verantwortlich, wenn Männer schwere Fehler machen.«
»Sprechen Sie aus Erfahrung, VanDyke?«
»Keineswegs. Ich bewundere Frauen, genau wie ich guten Wein oder eine gut interpretierte Symphonie bewundere. Wenn die Flasche leer oder die Musik vorbei ist, sucht man sich die nächste aus.« Er lächelte, als Tate sich verkrampfte. Das Boot setzte sich in Bewegung.
»Wohin fahren wir?«
»Nicht weit, nur ein paar Grad östlich. Uns erwartet ein einmaliges Schauspiel, und ich möchte sozusagen in der ersten Reihe sitzen. Trinken Sie einen Schluck Cognac, Tate, vielleicht brauchen Sie ihn.«
»Ich brauche keinen Cognac.«
»Falls Sie Ihre Meinung ändern sollten, hier steht er.« Er stand auf und ging zu einer Bank. »Ich habe noch ein Fernglas. Vielleicht möchten Sie es benutzen?«
Sie riss es ihm aus der Hand, lief zur Reling und sah nach Osten. Ihr Herz machte einen Sprung, als sie verschwommen die Umrisse der beiden Boote ausmachte. An Bord der New Adventure brannten Lichter, die Brücke der Mermaid war ebenfalls erleuchtet.
»Ihnen muss doch klar sein, dass sie uns sehen können, wenn wir sie sehen!«
»Vorausgesetzt sie wissen, wo sie uns suchen müssen.« VanDyke trat neben sie. »Wahrscheinlich würden sie uns irgendwann entdecken, aber in Kürze werden sie anderweitig beschäftigt sein.«
»Sie halten sich für schlau.« Trotz Tates Bemühungen brach ihre Stimme. »Sie benutzen mich, um sie herzulocken.«
»Genau. Ein glücklicher Zufall kam mir zur Hilfe, aber inzwischen haben sich meine Pläne geändert.«
»Geändert?« Sie starrte immer noch auf die Lichter, glaubte, eine Bewegung wahrgenommen zu haben. Ein Boot? fragte sie sich. Auf dem Weg zum Land… LaRue, dachte sie enttäuscht, er will das Amulett beiseite schaffen.
»Ja, und ich denke, dass sich die Situation in Kürze verändern wird.«
Die Erregung in seiner Stimme ließ sie zittern. »Was haben Sie —«
Selbst über eine Meile weit entfernt hörte sie die Explosion. Das Feuer erhellte die Nacht und blendete Tate, aber sie sah nicht weg, konnte ihre Augen nicht abwenden.
Die Mermaid stand in Flammen.
»Oh Gott, Matthew!« Fast wäre sie über Bord gesprungen, aber VanDyke hielt sie fest.
»LaRue ist ebenso effizient wie geldgierig.« VanDyke legte einen erstaunlich kräftigen Arm um ihre Kehle, bis ihre panische Gegenwehr in Schluchzen überging. »Die Behörden werden ihr Bestes tun, um sich aus den Überresten einen Reim zu machen. Alle Spuren werden darauf hindeuten, dass Buck Lassiter in trunkenem Zustand in der Nähe des Motors Treibstoff verschüttete und dann unvorsichtigerweise mit einem Streichholz hantierte. Da von ihm oder seinem Neffen nichts übrig sein dürfte, wird niemand etwas anderes behaupten.«
»Sie wollten das Amulett.« Tate starrte in die Flammen, die sich auf der dunklen See spiegelten. »Sie hätten es sowieso bekommen. Warum mussten Sie ihn töten?«
»Er hätte mich niemals in Ruhe gelassen«, erklärte VanDyke schlicht. Die tanzenden Flammen faszinierten ihn. »Er starrte mich über den Leichnam seines Vaters hinweg an, mit Hass in den Augen. Schon damals wusste ich, dass es eines
Weitere Kostenlose Bücher