Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
erzählte er mir, wie VanDyke mit dir umging. Bis dahin wusste ich nicht, was es bedeutet, krank vor Angst zu sein.«
Um sie beide zu trösten, küsste er ihr Haar. »Wir hatten bereits einen Plan zu deiner Befreiung ausgearbeitet, als
LaRue an Bord kam. Buck und ich wollten rüberschwimmen. Er sollte sich um Flaschen und Ausrüstung kümmern, während ich nach dir suchte. Ich hoffte, dass es klappen würde, aber dank LaRue wurde die Sache leichter.«
»Wieso?«
»Zum einen hatte er herausgefunden, in welcher Kabine du untergebracht warst, und dann klaute er den Zweitschlüssel. Zu seiner Verteidigung muss ich sagen«, fügte Matthew hinzu, »dass er bei dem Gedanken, dich bei VanDyke zurückzulassen, fast durchgedreht wäre.«
»Ich werde versuchen, daran zu denken.« Sie seufzte. »Du hattest einen Schlüssel? Und ich dachte, du hättest dich an Bord geschwungen wie ein Pirat und die Tür mit einem Messer zwischen den Zähnen aufgetreten.«
»Vielleicht beim nächsten Mal.«
»Nein danke, die Aufregung von heute reicht mir für die nächsten fünfzig bis sechzig Jahre.«
»Soll mir recht sein.« Er atmete ein. »Dann erklärte ich Buck alles, und danach Ray und Marla. Es bot sich an, VanDykes Plan, das Boot zu sprengen, zu unserem Vorteil zu nutzen. Wenn wir ihm die Show nicht geboten hätten, wäre er vielleicht abgefahren oder hätte dir etwas angetan.« Mit geschlossenen Augen presste Matthew seine Lippen in ihr Haar. »Das konnte ich nicht riskieren.«
»Dein schönes Boot!«
»Ein wirkungsvolles Ablenkungsmanöver und ein sicherer Weg, ihn glauben zu lassen, dass sein Plan aufging. Er sah es hochgehen und dachte, alles liefe seinen Vorstellungen entsprechend. Nur wenn er glaubte, ich sei tot, war er weniger wachsam, sodass ich an Bord gehen konnte, ohne einen Kampf zu riskieren.«
Dabei hätte er diesen Kampf genossen, hatte sich richtiggehend danach gesehnt! Aber nicht, solange Tate an Bord war.
»Jetzt müssen wir –« Sie hielt inne und hob den Kopf.
»Buck! Gerade erst ist es mir klar geworden: Er ist ins Wasser gegangen!«
»Es war hart für ihn. Ich war mir nicht sicher, ob er es schaffen würde. Als LaRue zurückkam, wollte ich ihn stattdessen mitnehmen, aber ich wusste nicht, ob du den Mund halten würdest, wenn du ihn sahst. Und Ray sollte bei Marla bleiben. So war also nur Buck übrig. Er hat es für dich getan.«
»Sieht so aus, als ob ich einen ganzen Käfig voller Helden hätte.« Sie küsste ihn. »Danke, dass du die Burgmauer für mich erklommen hast, Lassiter.« Mit einem Seufzer legte sie ihren Kopf wieder an seine Schulter. »Er hat den Verstand verloren, Matthew. Es ist nicht nur Besessenheit oder Gier. Mal ist er vernünftig, dann gleitet er wieder ab. Er ist nicht mehr der Mann, den ich vor acht Jahren kennen gelernt habe, und es ist erschreckend, ihn zu beobachten.«
»Du brauchst ihn nie wieder zu beobachten.«
»Er wird nicht aufgeben. Wenn er erfährt, dass du nicht mit dem Boot in die Luft gegangen bist, wird er dich verfolgen.«
»Darauf warte ich. Morgen um diese Zeit ist alles vorbei.«
»Du willst ihn immer noch töten.« Schaudernd löste Tate sich aus Matthews Armen. »Aber jetzt verstehe ich, wie du dich fühlst. Als ich dich für tot hielt, hätte ich ihn selbst umgebracht, wenn ich die Möglichkeit dazu gehabt hätte.«
Sie wandte sich Matthew wieder zu. »Ich denke nicht, dass ich es jetzt noch könnte, nachdem ich mich beruhigt habe. Aber ich weiß, du glaubst, ihn umbringen zu müssen.«
Matthew sah sie lange an. Ihre Augen waren vom Weinen geschwollen. Ihre Haut war so blass, dass die Flecken auf ihrer Wange wie Brandzeichen wirkten. Sie hatte ihm seine Fehler vergeben, das wusste er.
»Ich werde ihn nicht töten, Tate. Ich könnte es tun«, fuhr er fast nachdenklich fort, als sie ihn anstarrte. »Für meinen Vater, für den hilflosen Jungen. Dafür, dass er dich entführt
hat, dich angefasst hat, für jeden blauen Fleck, jede Sekunde, in der du dich gefürchtet hast, könnte ich sein Herz ohne mit der Wimper zu zucken herausreißen. Verstehst du das?«
»Ich –«
»Nein.« Sein Lächeln war schmal, als er aufstand, um sie anzusehen. »Du verstehst nicht, dass ich ihn kaltblütig töten könnte, so wie ich es seit Jahren plane. Jahrelang starrte ich an die Decke über meiner Koje auf dem verdammten Boot, mit keinem anderen Ziel vor Augen als den Tag, an dem sein Blut an meinen Händen kleben würde. Ich habe sogar sein Geld genommen und so viel
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