Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
ihren Nadeln pikten und durch das ganze Krankenhaus kutschierten.«
»Nettes Zimmer.« Matthew betrachtete die Gardine, die Buck vom nächsten Patienten trennte.
»Es ist beschissen. Hier bleibe ich keinen Augenblick länger.«
»Das brauchst du auch nicht. Wir machen eine Reise nach Chicago.«
»Was zum Teufel soll ich in Chicago?«
»Dort verpasst dir ein Arzt ein neues Bein.«
»Von wegen Bein!« Sein richtiges Bein war zwar nicht mehr da, aber er spürte ständig einen pochenden Schmerz, der ihn daran erinnerte, dass er früher fest auf beiden Füßen gestanden hatte. »Ein Stück Plastik mit Scharnieren.«
»Wir können dir auch ein Holzbein besorgen.« Matthew zog einen Klappstuhl neben das Bett und setzte sich. Er wusste nicht mehr, wann er zum letzten Mal geschlafen hatte. Wenn er die kommenden Stunden überstanden hatte, gelobte er sich, würde er die nächsten acht im Tiefschlaf zubringen. »Ich dachte, die Beaumonts wären hier?«
»Ray war da.« Buck runzelte die Stirn und zerrte an seinem Laken. »Ich habe ihn weggeschickt. Kann sein langes Gesicht hier nicht gebrauchen. Wo ist die verdammte Schwester?« Er tastete nach der Klingel. »Sie ist nur da, wenn man sie nicht braucht. Piesackt mich mit ihren Nadeln. Ich will meine Pillen«, verlangte er, sobald die Schwester eintrat. »Ich habe Schmerzen.«
»Nach dem Essen, Mr. Lassiter«, erklärte sie geduldig. »In ein paar Minuten ist es so weit.«
»Euren verdammten Fraß will ich sowieso nicht!«
Je mehr sie ihn zu beruhigen versuchte, desto lauter wurde er, bis sie schließlich entnervt aufgab.
»So gewinnt man neue Freunde, Buck«, bemerkte Matthew. »Weißt du, an deiner Stelle wäre ich etwas vorsichtiger bei einer Frau, die jederzeit mit einer dicken Spritze zurückkommen kann.«
»Aber du bist nicht an meiner Stelle, stimmt’s? Du hast zwei Beine.«
»Stimmt.« Schuldgefühle nagten an Matthews Gewissen. »Ich habe zwei Beine.«
»Jetzt nutzt mir der Schatz nicht mehr viel«, murmelte Buck. »Endlich habe ich so viel Geld, wie man sich nur wünschen kann, und doch kann es mich nicht wieder ganz machen. Was soll ich tun? Mir ein großes, verdammtes Boot kaufen und im Rollstuhl darauf herumkurven? Das war mal wieder der Fluch der Angelique. Diese verdammte Hexe gibt mit einer Hand und nimmt mit der anderen.«
»Wir haben das Amulett doch gar nicht gefunden.«
»Aber es ist da unten. Ich weiß, dass es dort unten liegt.« Bucks Augen glitzerten vor Bitterkeit und Hass. »Wenn sie mich wenigstens getötet hätte! Ich wünschte, sie hätte mich erledigt. Jetzt bin ich nur noch ein Krüppel. Ein reicher Krüppel.«
»Wenn du es unbedingt so bezeichnen willst, kannst du ein Krüppel sein«, sagte Matthew vorsichtig. »Das ist deine Sache. Reich bist du jedenfalls nicht. Dafür hat VanDyke längst gesorgt.«
»Wovon zum Teufel redest du?« Die wütende Farbe war aus Bucks Wangen gewichen. »Was ist mit VanDyke?«
Sag es ihm jetzt, befahl Matthew sich. Alles auf einmal. »Er hat uns um unseren Claim gebracht und alles gestohlen.«
»Es ist unser Wrack! Ray und ich haben es sogar registrieren lassen!«
»Das ist ja das Seltsame. Alles, was wir an Dokumenten finden konnten, bestätigte VanDykes Anspruch. Er brauchte nur ein paar Angestellte zu bestechen.«
Es war unvorstellbar, alles wieder zu verlieren. Ohne seinen Anteil an dem Schatz war er nicht nur ein Krüppel, er war obendrein hilflos. »Du musst ihn aufhalten!«
»Wie?« Matthew stand auf und drückte mit beiden Händen gegen Bucks Schultern, um ihn im Bett zu halten. »Er hat eine bewaffnete Crew, die rund um die Uhr arbeitet. Ich wette, er hat alles, was er nach oben geholt und von der Sea Devil und der Adventure geklaut hat, längst abtransportiert.«
»Und du lässt ihn so einfach davonkommen?« Verzweifelt zerrte Buck an Matthews Hemd. »Du willst dich einfach umdrehen und ihm überlassen, was rechtmäßig uns gehört? Immerhin hat es mich mein Bein gekostet.«
»Ich weiß, was es dich gekostet hat. Und ja, ich überlasse ihm alles. Ich bin nicht bereit, für ein Wrack zu sterben.«
»Ich hätte nie gedacht, dass du ein Feigling bist.« Buck ließ ihn los und wandte den Kopf ab. »Wenn ich nicht hier liegen würde …«
Wenn du nicht hier liegen würdest, dachte Matthew, hätte ich nicht nachgeben müssen. »Sieht ganz danach aus, als ob du daran arbeiten solltest, wieder auf zwei Beinen zu stehen, damit du die Sache auf deine Art regeln kannst. Bis dahin übernehme
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