Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
Haar. »Nur habe ich auf diese Art noch nie an ihn gedacht.«
»Jedenfalls denkt er auf diese Art an dich.«
»Das ist nicht gut«, murmelte Tate. »Man sollte sich nie mit jemandem einlassen, mit dem man arbeitet.«
»Du musst es ja wissen«, sagte Lorraine gleichgültig. »Ich dachte nur, es sei an der Zeit, dass jemand dem Mann unter die Arme greift und es dir sagt. Außerdem soll ich dir mitteilen, dass ein paar Vertreter von SeaSearch und Poseidon unterwegs sind, um einen Teil der Ausbeute zu begutachten und mitzunehmen. Sie bringen ein Kamerateam mit.«
»Ein Kamerateam …« Automatisch speicherte Tate das Problem Hayden im Hinterkopf. »Ich dachte, wir drehen unsere eigenen Videos.«
»Unsere wollen sie auch verwenden. Sie machen eine Dokumentation fürs Fernsehen, also vergiss Wimperntusche und Lippenstift nicht.«
»Wann kommen sie an?«
»Sie sind schon unterwegs.«
Ohne sich dessen bewusst zu sein, griff Tate nach dem hölzernen Kreisel und legte schützend die Hand darüber. »Hier wird nichts mitgenommen, das ich nicht katalogisiert und untersucht habe.«
»Zeig ihnen die Krallen, Tiger.« Lorraine ging zur Tür. »Aber vergiss nicht, wir sind nur bezahlte Hilfskräfte.«
Bezahlte Hilfskräfte, dachte Tate und legte den Kreisel vorsichtig beiseite. Vielleicht war genau das der Punkt. Irgendwie war aus einer unabhängigen Frau auf der Suche nach Abenteuern eine kompetente Maschine geworden, die für einen anonymen Konzern arbeitete.
Allerdings machte ebendieser Konzern ihre Arbeit erst möglich. Wissenschaftler waren immer Bettler. Und dennoch …
Mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass es verschiedene »Wenn« und »Aber« in ihrem Leben gab. Sie musste sich dringend Zeit nehmen, um herauszufinden, welche davon wichtig waren.
Matthew stellte wieder einmal fest, dass er offenbar den Verstand verloren hatte. Er hatte gekündigt. Einen Job, den er gehasst hatte, aber immerhin hatte er seine Rechnungen bezahlen können und obendrein genug übrig behalten, um ein paar bescheidene Träume zu verwirklichen. Ohne den Job würde das Boot, an dem er nun schon seit Jahren baute, nie fertig werden, sein Onkel würde Sozialhilfe beantragen müssen, und in spätestens sechs Monaten war es Glück zu nennen, wenn er sich eine warme Mahlzeit leisten konnte.
Und er hatte nicht nur seinen Job aufgegeben, obendrein hatte er sich auch noch dazu breitschlagen lassen, LaRue mitzunehmen. Der Maat hatte einfach gepackt und war ihm ohne die geringste Ermutigung seinerseits an Land gefolgt. So fühlte Matthew sich für zwei Männer verantwortlich, die
zu allem Überfluss den Großteil ihrer Zeit damit verbrachten, miteinander zu streiten und ihn auf seine Schwächen hinzuweisen.
Nun saß er vor einem Wohnwagen im Süden von Florida und fragte sich, ob er den Verstand verloren hatte.
Der Brief von den Beaumonts war an allem schuld. Die Erwähnung von Tate, VanDyke und natürlich der Isabella hatte zu viele Erinnerungen an Niederlagen und Hoffnungen geweckt, und bevor er die Konsequenzen richtig durchdenken konnte, hatte er auch schon seine Sachen eingepackt.
Jetzt waren alle Brücken hinter ihm abgebrochen, und er hatte plötzlich viel Zeit zum Nachdenken. Was zum Teufel sollte er mit Buck anfangen? Sein Alkoholkonsum war wieder einmal völlig außer Kontrolle geraten.
Das sollte ihn eigentlich nicht weiter überraschen, denn Jahr für Jahr war er nach Florida gekommen und hatte seinen Landurlaub damit verbracht, seinen Onkel auszunüchtern. Und jedes Jahr kehrte er auf die See zurück, voller Schuldgefühle, Bedauern und Trauer, weil es ihm offenbar nie endgültig gelingen würde.
Selbst jetzt konnte er hören, wie Buck seine alkoholisierte Stimme bitter erhob. Trotz des Regens, der gleichmäßig vom Himmel prasselte, zog Matthew es vor, draußen unter dem verrosteten, undichten Vordach zu bleiben.
»Was ist das für ein Schweinefraß?«, nörgelte Buck und polterte in der Miniküche herum.
LaRue blickte nicht von seinem Buch auf. »Bouillabaisse. Ein Familienrezept.«
»Schweinefraß«, wiederholte Buck. »Französischer Schweinefraß.« Unrasiert und immer noch in der Kleidung, in der er eingeschlafen war, riss er eine Schranktür auf und suchte nach einer Flasche. »Ich will nicht, dass du mir damit die Bude verstänkerst.«
Zur Antwort schlug LaRue eine Seite um.
»Wo ist verdammt noch mal mein Whiskey?« Buck suchte
mit einer Hand im Schrank und warf dabei die wenigen Vorräte um. »Ich weiß
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