Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
attraktiver Mund wirkte weich. Seine Züge waren ein wenig kantiger als vor acht Jahren, stellte sie fest, die Wangenknochen markanter. Doch das machte ihn umso anziehender. Sein Körper wirkte schlank, muskulös und hart wie Granit unter den zerrissenen Jeans und dem ausgeblichenen T-Shirt.
Sie gönnte sich einen ausgiebigen Blick und prüfte dabei ihre eigene Reaktion, ähnlich wie bei einem Laborexperiment. Ein kurzes Beschleunigen des Pulses, stellte sie fest. Aber das war nur verständlich, wenn eine Frau einem dermaßen gut aussehenden Mann begegnete.
Erleichtert registrierte sie, dass sie nach ihrer ersten instinktiven Reaktion nur Ärger, Ablehnung und heftige Wut darüber verspürte, dass sie ihn sanft schlummernd auf ihrem Terrain vorfand.
»Lassiter, du Bastard.«
Er bewegte sich nicht, nur seine Brust hob und senkte sich weiter rhythmisch. Mit grimmigem Lächeln baute sie sich vor ihm auf, griff nach der Hängematte und hob eine Seite an.
Matthew schreckte durch die plötzliche Bewegung aus seinen Träumen. Er sah, wie der Boden immer näher kam, und streckte instinktiv die Arme aus, um sich im Fall abzustützen. Er grunzte, als er gelandet war, dann fluchte er, weil ihm eine Distel in den Finger stach. Verschlafen und verwirrt
schüttelte er den Kopf, warf sein Haar zurück und hockte sich vorsichtig hin.
Das Erste, was er sah, waren kleine, zierliche Füße in praktischen, ziemlich abgetragenen Wanderschuhen. Dann kamen die Beine. Sehr lang, feminin und wohlgeformt in engen, schwarzen Leggings. Unter anderen Umständen hätte er sie gern länger betrachtet.
Doch sein Blick wanderte weiter und registrierte ein schwarzes Männerhemd, das Hüften umspielte, die eindeutig zu keinem Mann gehörten. Schöne, hohe Brüste, die dem Hemd eine interessante Form verliehen.
Dann das Gesicht.
Die Gefühle, die sich in seinem Körper geregt hatten, köchelten sofort auf Sparflamme.
Sie hat sich verändert, dachte er. Doch sie war wunderschön. Verführerisch. Mit zwanzig war sie frisch, appetitlich und süß gewesen, heute sah es so aus, als könne sie einen Mann um den Verstand bringen.
Ihre Haut schien elfenbeinfarben, fast durchsichtig, mit einem Hauch von Rosa. Ihr ungeschminkter Mund war voll, unwiderstehlich und trug ein schlecht gelauntes Schmollen zur Schau, das seine Kehle austrocknen ließ. Sie hatte ihr Haar wachsen lassen und trug es zu einem Pferdeschwanz hochgebunden. Hinter den getönten Brillengläsern blitzten die Augen wütend.
Als ihm auffiel, dass er sie anstarrte, riss er sich zusammen. Hastig schüttelte er den Kopf und lächelte gezwungen.
»Hey, Rotschopf. Lange her.«
»Was zum Teufel machst du hier, warum ziehst du meine Eltern in deine hirnrissigen Pläne hinein?«
Bevor seine Knie nachgeben konnten, lehnte er sich nachlässig an einen Baum. »Ich freue mich auch, dich zu sehen«, bemerkte er trocken. »Aber du bringst da offenbar etwas durcheinander. Ray hat den Plan, ich fahre nur mit.«
»Ausnutzen willst du ihn!« Wut schäumte in Tate auf.
»Die Partnerschaft wurde vor acht Jahren aufgelöst, und dabei bleibt es. Ich will, dass du wieder in dem Loch verschwindest, aus dem du herausgekrochen bist.«
»Bist du jetzt hier der Boss, Rotschopf?«
»Ich werde tun, was notwendig ist, um meine Eltern vor dir zu schützen.«
»Ich habe Ray oder Marla nie etwas getan.« Matthew zog eine Augenbraue hoch. »Oder dir. Obwohl ich reichlich Gelegenheit dazu hatte.«
Ihre Wangen röteten sich. Sie hasste ihn, hasste die verdammte Brille, die seine Augen versteckte und ihr Spiegelbild reflektierte. »Ich bin kein kleines Mädchen mehr, Lassiter. Und ich weiß genau, was du bist. Ein Opportunist ohne Loyalität oder Verantwortungsgefühl. Wir brauchen dich nicht.«
»Das sieht Ray aber ganz anders.«
»Er hat ein weiches Herz.« Sie hob ihr Kinn. »Ich nicht. Vielleicht hast du ihn dazu überreden können, sein Geld in dein schwachsinniges Vorhaben zu investieren, aber das werde ich verhindern. Du wirst ihn nicht ausnutzen.«
»So siehst du das? Ich nutze ihn aus?«
»Du nutzt doch jeden aus.« Ihre Stimme klang ruhig, und sie war froh über ihre Selbstbeherrschung. »Und wenn es hart auf hart kommt, machst du dich aus dem Staub. Lässt Buck auf diesem abgelegenen Campingplatz in Florida im Stich, segelst einfach davon. Ich war dort.« Wütend trat sie einen Schritt auf ihn zu. »Vor fast einem Jahr habe ich ihn besucht. Ich habe den Saustall gesehen, in dem du ihn
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