Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
zurückgelassen hast. Er war krank und allein, hatte kaum etwas zu essen. Er erzählte mir, er könne sich nicht daran erinnern, wann du das letzte Mal da warst, und dass du es vorziehen würdest, irgendwo zu tauchen.«
»Stimmt.« Lieber hätte er sich die Zunge abgebissen, als ihr die Wahrheit zu sagen.
»Er brauchte dich, aber du warst zu sehr mit dir selbst
beschäftigt, um dich um ihn zu kümmern. Du hast ihn sich halb zu Tode saufen lassen. Wenn meine Eltern wüssten, wie gemein, wie eiskalt du in Wahrheit bist, würden sie dich vor die Tür setzen.«
»Aber du weißt es.«
»Ja, ich weiß es. Ich wusste es schon vor acht Jahren, als du so freundlich warst, es mir zu beweisen. Dafür bin ich dir dankbar, Matthew, und ich werde mich revanchieren, indem ich dir Gelegenheit gebe, dich mit Würde aus dieser Sache zu verabschieden.«
»Keine Chance.« Er verschränkte die Arme. »Ich hole mir die Isabella, Tate, egal wie. Ich habe selbst Schulden zu begleichen.«
»Aber meine Eltern wirst du nicht dafür benutzen.« Sie drehte sich auf dem Absatz um und marschierte davon.
Matthew brauchte eine Minute, um seine Gefühle wieder in den Griff zu bekommen. Langsam setzte er sich auf die Hängematte und fing den Schwung mit den Füßen ab.
Er hatte nicht erwartet, dass sie ihn mit offenen Armen und einem strahlenden Lächeln begrüßen würde, aber mit dieser gnadenlosen Abneigung hatte er nicht gerechnet. Sich damit auseinander zu setzen würde schwierig, aber notwendig sein.
Aber das war noch nicht einmal das Schlimmste. Er war sich ganz sicher gewesen, dass er über sie hinweggekommen war. Seit Jahren war sie wenig mehr als eine gelegentlich aufflammende Erinnerung in seinen Gedanken gewesen. Nun traf es ihn wie ein niederschmetternder Schlag, dass er noch immer bis über beide Ohren in sie verliebt war.
Bevor Marla ihr Angebot bezüglich des Mittagessens wiederholen konnte, war Tate auch schon durch die Küche und das gemütliche, mit alten Möbeln voll gestopfte Wohnzimmer gestürmt, die Treppe hinunter in die Halle und aus der Haustür hinaus.
Sie brauchte Luft.
Wenigstens hatte sie ihr Temperament unter Kontrolle behalten, sagte sie sich, als sie über den sandigen Boden zum Sund lief. Zwar war das Gespräch nicht ganz so gelaufen wie geplant, aber sie hatte ihre Position unmissverständlich dargelegt. Sie würde dafür sorgen, dass Matthew Lassiter bis zum Sonnenuntergang sein Bündel geschnürt hatte und verschwunden war.
Tate atmete noch einmal tief durch, ehe sie den schmalen Steg betrat. Dort lag die zwölf Meter lange New Adventure, mit der ihre Eltern erst zwei Jahre zuvor die Jungfernfahrt unternommen hatten. Sie war wunderschön, und obwohl Tate sie bisher nur von einem kurzen Ausflug kannte, wusste sie, dass dieses Boot schnell und wendig war.
Wahrscheinlich wäre sie an Bord gegangen, einfach nur um mit ihrer Wut ein paar Minuten lang allein zu sein, wenn ihr nicht das zweite Boot auf der anderen Seite des Stegs aufgefallen wäre.
Stirnrunzelnd betrachtete sie noch die ungewöhnliche Form und den doppelten Bug, als Buck an Deck auftauchte.
»Ahoi, schöne Frau.«
»Selber ahoi.« Grinsend lief sie über den Steg. »Erbitte Erlaubnis, an Bord zu kommen, Sir.«
»Erlaubnis gewährt.« Er lachte und streckte ihre eine Hand entgegen.
Sie sah auf den ersten Blick, dass Buck durch Alkohol und ungesundes Essen Gewicht verloren hatte. Seine Gesichtsfarbe war jedoch wieder gesund, und die Augen waren klar. Als sie ihm um den Hals fiel, roch sie keine Ausdünstungen von Whiskey und Schweiß.
»Schön, dich zu sehen!«, rief sie. »Du siehst wie neu aus.«
»Ich schlage mich durch.« Er verlagerte sein Gewicht. »Du weißt ja, wie es immer heißt: Gehe einen Tag nach dem anderen an.«
»Ich bin stolz auf dich.« Sie drückte ihre Wange an seine,
zog sich aber sofort wieder zurück, denn sie bemerkte, wie peinlich ihm die Berührung war. »Erzähl mir von dem Boot.« Sie breitete ihre Arme weit aus, als wolle sie den Segler umarmen. »Wie lange hast du es schon?«
»Matthew hat es ein paar Tage, bevor wir ablegten, fertig bekommen.«
Das Lächeln verblasste, und ihre Arme sanken. »Matthew?«
»Er hat es gebaut«, verkündete Buck stolz. »Hat es selbst entworfen und jahrelang daran gearbeitet.«
»Matthew hat dieses Boot ganz allein entworfen und gebaut?«
»Fast allein. Wie wäre es mit einer Führung?« Während Buck Tate vom Bug zum Heck über das Deck führte, informierte er sie
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