Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)
darunter … Schwefel? Seltsam …
Leise stieg sie die Treppe zur ersten Etage hinauf. In den Korridoren war es dunkel. Sie schaute sich nach einem Diener um, nach jemandem, der wissen könnte, wo unfreiwillige Gäste untergebracht wurden. Sie ging die hintere Treppe hinauf. Stimmen drangen leise an ihr Ohr. Diener, keine Vampire.
Doch halt. Vibrationen hinter ihr erreichten ihre Sinne. Langsam wandte sie sich um …
Ein Koloss von einem Mann bog um die Ecke, ohne Zweifel angezogen von ihren eigenen Vibrationen. Er ging auf sie zu, schweigend und mit finsterem Blick. Er entsprach exakt Jerrys Beschreibung von seinem Schöpfer.
»LeFèvre«, sagte Beatrix. »Ich habe Sie erwartet.« Das schien ihn zu überrumpeln.
»Wieso kennen Sie meinen Namen? Wer sind Sie?«, knurrte er.
Seine Verwirrung gab ihr Zeit, ihren Gefährten zu rufen. Das Summen der Macht in ihren Adern verlieh ihr Zuversicht. Dies hier war kein ebenbürtiger Gegner für einen blutgeborenen Vampir. »Ich bin deine Herrin, LeFèvre«, sagte sie und ließ ihre Macht in ihren Augen aufglänzen.
Er wehrte sich nur einen Moment lang, dann schwankte er, und seine Augen trübten sich.
»Ich will wissen, ob ihr einen englischen Gefangenen hier habt. John Staunton, Earl of Langley.« Alles hing von seiner Antwort ab. Beatrix hielt den Atem an.
»Ja, er ist hier.«
Beatrix’ Herz erbebte. O Gott! »Er lebt?«, hauchte sie.
»Ja. Die Mistress will ihn lebendig sehen, wenn sie zurückkommt.« Seine Stimme klang gleichmütig.
»Wo?«, zischte sie.
»In den Verliesen. Unten bei den warmen Quellen.«
Beatrix’ Gedanken überschlugen sich. Die warmen Quellen – natürlich, wegen Ashartis Vorliebe für Wärme. »Zeig mir den Weg.« Sie wies die Treppe hinunter.
In der großen Eingangshalle zeigte er auf eine Tür aus massivem Holz. »Dort.«
Beatrix zögerte. »Ist er allein?« Sie fühlte eine weitere Vibration, konnte sie aber nicht lokalisieren.
»Quintoc ist dort unten. Quintoc will ihn für sich haben, ehe sie zurückkommt.«
Beatrix’ Herz wurde kalt. Sie fuhr herum, zerrte LeFèvre mit sich und riss die schwere Holztür mit einem Ruck auf. Es schnürte ihr die Kehle zu, als sie die Stufen hinunterlief, während LeFèvre hinter ihr her stolperte. Feuchte Hitze, überall Gänge, ein flüchtig erblicktes Labyrinth von winzigen Türmchen aus Ziegeln zur Verteilung der Wärme. Keine brennenden Kohlen, aber Becken mit heißem Wasser zwischen den Ziegeltürmchen. Chantilly wurde von heißen Quellen beheizt. Der Schwefelgeruch hing schwer in der Luft.
»Wohin?«, fauchte sie LeFèvre an. Er widerstand viel zu lange, dann wies er endlich in die Richtung. Sie zerrte ihn hinter sich her. Zu ihrer Rechten sah sie durch eine Tür einen Fluss von dampfendem Wasser unter einer kleinen Brücke. Wie weit war es zu den Zellen? Hatte LeFèvre sie in die Irre geführt? Sie blendete LeFèvres schwere Schritte hinter sich aus und bediente sich ihrer Sinne. Da, unter dem Schwefelgeruch, unter dem leicht mineralischen Geruch des Wassers, was war das? Blut. Ihresgleichen konnte immer Blut wahrnehmen. Blut und Stöhnen. Schnelles Atmen.
Sie brauchte LeFèvres widerwillige Hinweise nicht mehr. Sie wandte sich nach links, in einen niedrigen Gang, und folgte den Lauten und dem Geruch des Blutes. Sie stieß auf einen querenden Gang. Ihre Wut wuchs, ihr Gefährte rauschte in ihren Adern. Drei Zellen, aber Beatrix hatte nur Augen für die in der Mitte, die mit der offenen Tür, aus der der Geruch von Blut kam. Bei einem tiefen Stöhnen aus der Zelle entrang sich ihrer Kehle ein Schrei.
Sie stieß die Tür weit auf. Die Metallangeln kreischten und brachen, sodass die Tür in einem aberwitzigen Winkel aufschwang. Beatrix ließ LeFèvre los und stürmte hinein. Der Anblick, der sich ihr bot, ließ sie erstarren. John lag halb besinnungslos auf der Seite und war mit einer Kette an einen Eisenring in der Mauer gefesselt. Er war nackt, bleich und verschwitzt, und er blutete aus einem Dutzend Wunden. Er hatte eine Erektion. Über seinen Po und seinen Rücken gebeugt kniete ein junger Mann, der vollständig bekleidet war. Er hörte auf, sein Becken nach vorn zu stoßen, und sah überrascht auf. Beatrix fühlte seine Vibrationen und nahm den Gestank seiner eigenen Mischung aus Zimt und grauem Amber wahr. Ein tierisches Knurren entfuhr ihr, und sie sprang auf ihn zu. Sie riss den Mann von John herunter und schleuderte ihn gegen die Wand. Seine offen stehende Hose enthüllte seine
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