Der Ruf des Abendvogels Roman
gearbeitet hatte, war der Zwinger sauber, die Wasserbehälter gefüllt und das verwesende Fleisch in der Erde vergraben. Sie legte noch einen großen Stein in die Mitte der Wassernäpfe, um zu verhindern, dass diese wieder umgestoßen wurden. »Ich werde sehen, ob ich nicht etwas Besseres zu Fressen für euch finde«, sagte sie zu Mellie, die diese kurze Zeit der Freiheit sehr zu genießen schien. Tara stellte fest, dass die Hunde keine Unterlage hatten, auf der Mellie und ihre Jungen sich hätten ausstrecken können.
Nur ungern sperrte Tara die Tiere wieder in ihren Zwingerund machte sich auf den Rückweg zum Haus. Als sie von irgendwoher den Duft von gebratenem Fleisch wahrnahm, blieb sie stehen. Sie blickte zu den Quartieren der Scherer hinüber, sah Rauch aus dem Schornstein quellen und beschloss nachzusehen, ob Nugget vielleicht ein paar Reste für die Hunde übrig hatte.
Als sie auf der Türschwelle stand und hineinblickte, stellte sie fest, dass die Hütte leer war, doch sie hörte Stimmen, die nicht weit entfernt sein konnten. Als sie um das Gebäude herumging, fand sie an dessen Rückseite Nugget mit zwei anderen Männern und einem halbwüchsigen Jungen. Sie saßen um ein Lagerfeuer, unterhielten sich, rauchten und hatten die Füße hochgelegt.
»Hallo, Missus«, stieß Nugget überrascht hervor, als er sie sah.
»Ich hoffe, ich störe Sie nicht«, sagte Tara und warf einen raschen Blick auf das Fleisch, das in einer Pfanne über dem Feuer briet. Sie war erstaunt über die plötzliche Wehmut, die sie erfüllte, und stellte verwundert fest, dass sie sich trotz ihres angeschlagenen Magens hungrig fühlte. »Haben Sie vielleicht zufällig ein paar Fleischreste für die Hunde übrig?«, fragte sie.
»Wir werden gleich ein paar Brocken Fett und ein paar Knochen haben, Missus, aber Tadd Sweeney mag nicht, wenn wir Hunde füttern. Er sagt, wir verwöhnen ...«
»Zur Hölle mit ihm, Nugget – ich habe noch nie solchen Blödsinn gehört. Man kann doch nicht von ihnen erwarten, dass sie verdorbenes Fleisch fressen!«
»Ganz recht, Missus«, stimmte einer der anderen Männer ihr zu. »Sie mögen sowieso keine Beuteltiere, aber er will ihnen nichts anderes geben.«
Tara erschauderte, denn nun war ihr klar, warum es so streng gerochen hatte: Es war Kängurufleisch gewesen! »Ich bin Victorias Nichte, Tara Flynn«, sagte sie.
»Ich bin Charlie, und das hier ist mein Sohn, der kleine Karl.« Der Junge nickte ihr zu, um dann rasch den Blick zu senken.Charlie schien Aborigines-Blut in den Adern zu haben, während man seinen Sohn durchaus für einen Weißen halten konnte.
»Und ich bin Kevin O’Donnell, aber meine Freunde nennen mich Bluey«, sagte der andere Mann. »Nett, Sie kennen zu lernen, Missus. Bleiben Sie lang hier draußen?« Bluey oder Kevin O’Donnell hatte rotbraunes Haar und Sommersprossen im Gesicht, doch seine breite Nase und die dunklen Augen ließen auch bei ihm auf Aborigines-Einfluss schließen.
»Ich weiß noch nicht, wie lange ich bleiben werde«, erklärte Tara wahrheitsgemäß.
»Mögen Sie Hammelkotelett, Missus, oder essen Sie lieber dieses Zeug mit Curry, das Sanja jeden Tag serviert?« Nugget schien es peinlich zu sein, ihr von seinem einfachen Essen etwas anzubieten.
Tara musste zugeben, dass das gebratende Fleisch ausgezeichnet roch, und sagte lächelnd: »Ich würde gern etwas probieren, wenn Sie ausreichend haben. Aber wirklich nur, wenn ich keinem etwas wegnehme!«
In Nuggets Augen leuchtete es auf. »Mehr als genug da, Missus.«
»Wenn Sie sicher sind, Nugget ... Ich vertrage scharfes Essen nicht gut, und Sanja weigert sich, etwas anderes zu kochen. Ich habe ihm gesagt, ich würde selbst etwas zubereiten, aber er meinte, dazu müsste ich dann die Küche hier im Schererhaus benutzen.«
»Tun Sie das ruhig, Missus. Ich weiß, dass Sanja niemanden in seiner Küche haben will. Er ist manchmal schon ziemlich seltsam. Weiß nicht, wie die Missus mit ihm zurechtkommt!«
Tara nickte zustimmend. Der alte schwarze Ofen im Schererhaus allerdings verursachte ihr Unbehagen, denn sie hatte noch niemals versucht, auf einem solchen Ungetüm zu kochen, und fürchtete, das Gebäude in Brand zu setzen. »Um ehrlich zu sein, Nugget, wäre es mir lieber, wenn ich hier draußen einen Topf über das Feuer hängen könnte – wenn es Sie nicht stört.«
Erstaunt erwiderte Nugget: »Sie werden doch nicht im Ernst hier draußen Feuer machen wollen, Missus! Der Herd drinnen ist viel sauberer und
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