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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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weil sie, wie ich hörte, früher die Bücher immer selbst geführt hat.«
    »Das hat sie – und ich fürchte, ich habe die Buchführung ein wenig vernachlässigt. Wir hatten so wenig Männer ...«
    »Ich weiß – aber ich würde sie trotzdem gern sehen.«
    Er nickte und ging mit hängenden Schultern auf sein kleines Häuschen zu. Tara blieb verwirrter denn je zurück. Sie wusste beim besten Willen nicht, was sie von Tadd Sweeney halten sollte.

15
    N ach einem Bad machte sich Tara auf die Suche nach ihrer Tante. Sie fand sie in einem dünnen Baumwollnachthemd und abgetragenen Pantoffeln auf dem Balkon vor ihrem Schlafzimmer in einem Sessel sitzend. Sie wirkte so ruhig und zufrieden, dass Tara sie einige Augenblicke lang nicht zu stören wagte, sondern nur dastand und Victoria anschaute, ohne dass diese sie ihrerseits bemerkte. Das Gespräch, das sie miteinander führen würden, würde Victorias kurzen Moment des Friedens gründlich zerstören. Tara war deswegen fast versucht, es zu verschieben.
    Als sie auf den Balkon hinaustrat, wandte Victoria sich lächelnd um. »Schlafen die Kinder schon? Sie hatten heute wirklich einen ereignisreichen Tag!«
    Tara hörte die Müdigkeit in Victorias Stimme und zögerte wieder, ihrer Tante neue Sorgen aufzubürden. Hannah war in demselben Augenblick eingeschlafen, als ihr Kopf das Kissen berührte, aber als ich nach Jack gesehen habe, lag er noch wach. Sie verschwieg, dass er sich ihr gegenüber verschlossen, fast feindselig verhielt. Als sie freundlich versucht hatte, den Grund für sein Benehmen anzusprechen, hatte er ihr den Rücken zugewandt und sich schlicht geweigert, ihr zu antworten. Obwohl seine offene Ablehnung sie verletzten, hatte Tara beschlossen, ihm ein wenig Zeit zu geben, bevor sie das Thema wieder ansprach. Wenn er mit ihr nicht reden wollte, dann hoffte sie, dass Ethan den Jungen dazu bringen konnte – denn alles war besser, als wenn er seinen Kummer weiter in sich hineinfraß.
    »Du klingst selbst auch etwas müde, Tante Victoria«, meinteTara. »Ich hoffe, du bist nicht extra meinetwegen aufgeblieben? Ich habe beim Baden völlig die Zeit vergessen. Und ich muss gestehen, dass ich ein sehr schlechtes Gewissen dabei habe, das Wasser dafür zu verschwenden, wo es hier doch so wenig davon gibt!«
    »Unsinn, Tara! Ich weiß doch, dass es dein erstes richtiges Bad seit Tagen war!«
    »Die Kinder haben das Wasser zuerst benutzt, das tröstet mich etwas.« Das war nicht ganz richtig, denn Jack hatte sich strikt geweigert zu baden, und kein gutes Zureden hatte ihn dazu bringen können, seine Meinung zu ändern. Tara war einigermaßen ratlos, wie sie mit ihm umgehen sollte.
    Victoria blickte zum Himmel hinauf. »Ich sitze gern hier und genieße die Abende. Es ist so friedlich hier! Aber jetzt bin ich wirklich müde – heute Nachmittag war ich so aufgeregt, dass ich nicht mehr als ein paar Minuten geschlafen habe.«
    »Es war für uns alle ein sehr langer Tag.« Tara blickte über das weite Land um sie herum. Ein leichter Wind strich durch die Blätter der Bäume, und die Sterne leuchteten wie Millionen Glühwürmchen. Der Mond war voll und schien so nah, als brauche sie nur die Hand auszustrecken, um ihn zu berühren. Er tauchte die Umgebung des Hauses und den ausgedörrten Boden in ein Licht, das allem einen Hauch von Frieden verlieh.
    Mit etwas Fantasie konnte man die Schatten der Bäume im Staub für wassergefüllte Teiche halten – doch es war kein Wasser; es blieb Staub.
    Tara konnte jetzt sogar das Summen der Insekten hören, während es am Tag sehr still gewesen war. Sie verstand nicht recht, wie sich ihre Tante an einem solchen Ort zu Hause fühlen konnte.
    »Vermisst du Irland eigentlich nicht, Tante Victoria? Ich habe manchmal großes Heimweh und würde in den unmöglichsten Augenblicken plötzlich alles dafür geben, den Loch-Derg-See wiederzusehen oder die Silvermine-Berge, oder eine Landstraßein Edenderry, die von Wiesen voller Heideblüten und wilden Gräsern gesäumt wird. Ich vermisse sogar den Regen!«
    Victoria hörte die Sehnsucht in Taras Stimme, und längst vergessene Erinnerungen stiegen in ihr auf.
    »Als ich damals herkam, habe ich mein Zuhause schrecklich vermisst. Aber dann habe ich mich damit getröstet, wie sehr ich die Winter gehasst habe, die langwierigen Krankheiten, unter denen ich dann immer litt, den Schnee und die Hagelkörner und die Frostbeulen ... Jetzt kann ich mir nicht mehr vorstellen, irgendwo anders als in Tambora zu

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